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  • Aktuelles zur Landesinitiative

Herzensspaziergänge: Seelenbalsam gegen die Einsamkeit, gerade in Coronazeiten

Anfang April lernten Teilnehmende der Fortbildung "Herzenssprechstunde" an der MachBar das Konzept der Herzensspaziergänge kennen. In der Hamburger Kirchengemeinde Groß Flottbek sind Herzensspaziergänge ein wichtiger Bestandteil der Quartiersentwicklung.

Diesmal war neben Karin Nell (Entwicklerin der Herzenssprechstunde), Annette Scholl (Leiterin der Landesinitiative) und 12 Teilnehmenden der Fortbildung Herzenssprechstunde 4.0 auch Susanne Seefeld aus Hamburg dabei. Susanne Seefeldt von der evangelischen Kirchengemeinde Groß Flottbek in Hamburg erklärte an der MachBar, was es mit den Herzensspaziergängen auf sich hat und wie diese eingesetzt werden können. Da während der Coronapandemie Treffen in größeren Gruppen – wie in den Herzenssprechstunden vorgesehen – nur schlecht umsetzbar waren, überlegte man sich, diese in kleinem Rahmen an die frische Luft zu verlegen. Neben der Bewegung besteht somit die Möglichkeit für tiefergehende Gespräche innerhalb einer relativ kurzen Zeit. „Wundertüten“ helfen dabei Spaziergänger*innen einander zuzuteilen und Impulse für Gespräche zu geben.

Herzensspaziergänge und was sie bewirken

Nach Auffassung von Susanne Seefeldt können Herzensspaziergänge Seelennahrung für Menschen sein, besonders für diejenigen, die an Einsamkeit leiden. Denn Herzensspaziergänge führen Menschen zusammen. Vor allem die Menschen, die sich nicht trauen, auf Menschen zuzugehen. Nach den Gesprächen kann die positive Wirkung dieser „Seelennahrung“ auch beobachtet werden. Die Menschen wirken gelöster bzw. zufriedener. Sie scheinen stärker miteinander verbunden zu sein und haben ggf. auch jemanden gefunden, mit dem sie im Allein- oder gar Einsamsein verbunden sind.

 

Ablauf der Spaziergänge

Pro Einheit sind drei Spaziergänge vorgesehen. Idealweise ist zwischen den Spaziergängen ein Abstand von einer Woche. Zum Ausprobieren gibt es den Schnupperspaziergang. Hier können Menschen das Format ausprobieren, die sich nicht sicher sind, ob die Herzensspaziergänge etwas für sie sind.

Insgesamt dauert eine Einheit „Herzensspaziergang“ etwa 2,5 Stunden: Zu Beginn (ca. 30 Min) und zum Abschluss (30 Min) kommt die gesamte Gruppe zusammen. Der eigentliche Spaziergang dauert ca. 1,5 Stunden. Der Anfang ist wichtig, um die Spaziergänger auf das Thema der Spaziergehrunde einzustimmen. Außerdem erhalten die Teilnehmenden ihre Wundertüten (siehe unten). Die Teilnehmenden werden dann in Paaren für den Spaziergang aufgeteilt. In der Wundertüte ist immer auch der Name des Spaziergangpartners oder der partnerin zu finden - in der evangelischen Gemeinde immer auf einem roten Papierherzen. Am Ende finden die Teilnehmenden als Gesamtgruppe wieder zusammen – es wird sich kurz über Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse ausgetauscht.

 

Was steckt in den Wundertüten?

  • Zwei Impulsfragen zum Schwerpunkt  "Anfangen“. Eine mögliche Impulsfrage könnte lauten: Wann hast du dich getraut, etwas neu anzufangen?
  • Name des Herzen-Partners für diesen Spaziergang
  • Kleine Wegzehrung/etwas Süßes – wie z. B. Herzenskekse usw.
  • Kleinigkeit, die thematisch zum Thema passt: Gedicht, Satz, kleiner Gegenstand (Thema „Anfangen“: Tüte mit Blumensamen) …

 

Von den Herzensspaziergängen zur Herzenswerkstatt

Damit Herzensspaziergänge keine einmalige Veranstaltung bleiben, plädierte Susanne Seefeld dafür, „Herzenswerkstätten“ einzurichten. Sie erläuterte das Prinzip und berichtete von einigen erfolgreichen Beispielen in Hamburg: Alle, denen die Spaziergänge gefallen haben und die sich vorstellen können eine kleine oder große Herzensangelegenheit selbst anzugehen und dafür Gleichgesinnte suchen, sind willkommen.Eingeladen sind auch die, die sich gern im ihrem Quartier engagieren wollen und nur noch nicht genau wissen, wie das aussehen kann. Die Möglichkeiten sind bunt und vielfältig wie die Teilnehmer*Innen der Herzensspaziergänge selbst.

Beispiele dafür, was bislang in dem Hamburger Viertel angeschoben wurde: Eigene Spaziergangsgruppe, Schreibgruppe, Literaturgruppe, Spielegruppe, Selbsthilfegruppe für Menschen, die durch die Pandemie kaufsüchtiges Verhalten entwickelt haben, Organisation von Besuchsdiensten für Menschen im Quartier, die Hilfe brauchen, Entwicklung eines Erinnerungsbüchleins und Leitfadens für Hochaltrige‚ „Ran an die Nadeln“ – Strick- und Häkelgruppe

Bei den Beispielen handelt es sich ausschließlich um Neugründungen. Es gibt aber immer wieder in den Gruppen auch einen regen Informationsaustausch untereinander über schon Bestehendes. Noch wichtiger ist, dass hier Mut gemacht wird, gemeinsam hinzugehen. So wurde eine Herzensspaziergängerin, die gerne Fahrrad fährt und sich sozial engagieren wollte, von einem anderen Teilnehmer motiviert bei der „Weißen Speiche“ mitzumachen – einer Organisation, die Tandemfahren mit blinden Menschen anbietet. Die Erfahrung zeigt mittlerweile, dass entscheidende Impulse und Denkanstöße erst untereinander im Dialog entstehen. Durch die Kontinuität der Treffen sind tragfähige neue Kontakte und Freundschaften entstanden.

Aktuell treffen sich die Werkstattmenschen auf Einladung der Projektleiterin Susanne Seefeld einmal im Quartal für ca. 2 bis 3 Stunden. Es sind derzeit 16 Teilnehmende, alle aus vorangegangenen Herzensspaziergängen. Neben der Freude des Wiedersehens und Zeit für Kaffee und Klönschnack wird intensiv gearbeitet. Eine Erzählrunde, in der jede und jeder erzählt, wo sie mit ihrem Herzensprojekt steht, wo es gut läuft und wo Unterstützung fehlt, bildet den Kern des Werkstatttreffs. Immer gibt es einen Impulstext sowie Zeiten für stille Selbstreflektion und Austausch. Eigene Ideen und Texte werden mitgebracht und vorgetragen.

 

Spaziergänge – Beispeile  Rheinland-Pfalz

Teilnehmende der MachBar berichteten, welche Spaziergangsangebote sie bisher in Rheinland-Pfalz anbieten.

Birgit Langknecht, GemeindeschwesterPlus Grünstadt – Plauderspaziergänge
Gespräche entstehen während des Spaziergangs, es gibt keine inhaltlichen Vorgaben. Die Gruppe ist inzwischen selbstorganisiert und trifft sich auch ohne die Initiatorin.

Alexandra Mika, GemeindeschwesterPlus SpeyerSinnesspaziergänge
Ziel ist bei den Spaziergängen in Speyer ist es, die verschiedenen Sinne wie Hören, Fühlen und Schmecken anzuregen.

Silke Lack, Senioren- und Engagementbüro Germersheim Literaturspaziergänge
Es handelt sich um ein gemeinsames Angebot der Lesebotschafterin und dem Seniorenbüro Germersheim, dass 2021 gestartet ist und nun regelmäßig viermal im Jahr stattfindet. Bisherige Themen waren u.a. Halloween oder Gefühle.

 

Text: Annette Scholl, Landesinitiative „Neue Nachbarschaften RLP“ – Servicestelle und Susanne Seefeldt, Evangelische Kirche in Groß Flottbek

 

Tipps

Die nächste einägige Fortbildung zur Herzenssprechstunde findet am 7. Juli in Herxheim statt. Weitere Infos und zur Anmeldung hier.

LInk zum NDR-Filmbeitrag zu den Herzensspaziergängen in Hamburg (3 Minuten).