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Internationaler Austausch zum Kampf gegen Corona und die Versorgung älterer Menschen

Was kann Deutschland für den Kampf gegen das Coronavirus von Taiwan und Südkorea lernen? Zu einem Erfahrungsaustausch, wie andere Länder mit der Krise umgehen und welche Rolle die Versorgung und der Beitrag der älteren Menschen dabei spielen, hatten das Institut Arbeit und Technik (IAT/Westfälische Hochschule) und die BAGSO eingeladen.

Das IAT vermeldete, dass das Interesse an der Online-Konferenz groß war: über 80 ExpertInnen aus Gesundheitswesen, Sozialverbänden, Wissenschaft, Kommunal- und Landesverwaltungen und Seniorenvertretungen nahmen teil. Im Folgenden ein Bericht des IAT.

Wie Dr. Peter Enste, Direktor des IAT-Forschungsschwerpunkts Gesundheitswirtschaft und Lebensqualität, einführend feststellte, liegen Südkorea und Taiwan nicht nur wesentlich näher zum Ausbruchsort der Corona-Pandemie in Wuhan als Deutschland (8000 km), der drastische Anstieg der Infektionszahlen ereignete sich dort auch früher. Doch während Deutschland fast 200.000 Infektionen und über 9000 Todesfälle verzeichnete, waren es in Südkorea rund 13.000 Infektionen und 285 Todesfälle, Taiwan 450 Infektionen mit sieben Todesfällen. Dass der Kampf gegen das Virus dort so erfolgreich war, lag nicht nur an der erheblich niedrigeren Einwohnerzahl und der Insellage Taiwans. In beiden Ländern wurde die Lage von Beginn an sehr ernst genommen, man hatte aus den Erfahrungen mit dem SARS-Erreger gelernt, fuhr eine einheitliche Kommunikationsstrategie und ergriff strenge Maßnahmen – von der Schließung der Grenzen, Quarantäne mit Bewegungstracking via Handy bis hin zu Besuchsverboten.

Hauptinstrument in Taiwan digitale Kommunikation

Während die Deutschen mit dem Mund-Nase-Schutz oft hadern, sind die Masken in Asien „geradezu populär“, so Dr. Kuyen Lin, Professorin für Sozialrecht und Sozialpolitik an der National Open University, Taiwan. Gegen Luftverschmutzung und Erkältungsinfektionen werden sie längst freiwillig getragen. Die jetzige Maskenpflicht in Bus und Bahn sowie im öffentlichen Raum bleibt trotz der niedrigen Corona-Zahlen bestehen. Hauptinstrument in Taiwan war aber die digitale Kommunikation: über einen Messenger Dienst gab es täglich Informationen, Pressekonferenzen, Nachrichten zu Infektionsquoten und Verhaltensregeln, Hinweise, in welcher Apotheke noch Masken verfügbar sind. Auch die Einhaltung der Quarantäne wird via Handy überwacht und bei Verstößen mit bis zu 3000 € geahndet – wegen des Datenschutzes umstritten, aber immerhin auf die Corona-Zeit begrenzt, hofft die Sozialforscherin Lin.

Der Gerontologe Prof. Dr. Gerhard Naegele verwies auf die „andere Kultur des Umgangs miteinander“. Offenbar gebe es in Taiwan ein anderes Gesundheitsbewusstsein und mehr Rücksicht untereinander, während in Deutschland die „Solidarität zwischen den Generationen fehlt!“ Mehr Verantwortungsbewusstsein im praktischen Miteinander der Generationen könne man vielleicht von Taiwan lernen.

Rudolf Herweck von der BAGSO berichtete von den Auswirkungen der Corona-Krise bei alten Menschen in Deutschland. Die Seniorenheime waren als „Hot Spots“ mit vielen Todesopfern sehr im Blick, allerdings waren 80 Prozent der Einrichtungen überhaupt nicht betroffen. Die Kontaktverbote führten bei vielen Senioren zu schlimmer Isolation und Einsamkeit, das Ausbleiben von Arztbesuchen und Therapien führte auch dazu, dass Gesundheit und Mobilität sich verschlechterten. „Den Nutzen solch einschränkender Maßnahmen muss man besser abwägen“, forderte er.

Ob durch Corona mehr alte Menschen die Chancen der Digitalisierung nutzen, wurde differenziert diskutiert. Janina Stiel von der BAGSO berichtete, dass es zwar mehr Nachfrage nach Videotelefonie, Beratung beim Umgang mit Messenger-Diensten und Anschaffung von Geräten gab, es gab aber weniger Unterstützer und Internethilfe. Ein Problem ist, dass es in Pflege- und Senioreneinrichtungen kaum digitale Infrastruktur gebe. Immerhin habe die „Digitalisierung erste Impulse gesetzt“, so Maxie Lutze von vid/vde it. Es gebe den Einsatz in der professionellen Versorgung und die Technik werde auch zum Teil gesponsert, aber für die Anwendung reiche das noch nicht aus.

„Wir müssen unsere PS auf die Straße bringen“

„Wir haben viele digitale Lösungen zur Unterstützung älterer Menschen und zu Hause lebender Pflegebedürftiger, aber diese Anwendungen kommen nicht in die Breite“, kritisiert Prof. Josef Hilbert vom IAT, Vorsitzender des Netzwerks Deutscher Gesundheitsregionen (NDGR). „Uns ist bisher nicht gelungen, die PS, die wir haben, auf die Straße zu bringen!“ Die Politik berate aktuell über digital gestützte Versorgungsstrukturen. Konzepte liegen auf dem Tisch, etwa für ein Gesundheitsmonitoring zu Hause bei Herzinsuffizienz oder Diabetes. Jetzt müssten die Akteure im Gesundheitswesen – auch die Kostenträger – tätig werden.

Die Konferenz warf zahlreiche Fragen zu den gesellschaftlichen Auswirkungen von Corona und den Chancen und Grenzen der Digitalisierung in diesem Zusammenhang auf. Verabredet wurde ein weiteres Online-Treffen in Kürze, an dem auch Prof. Yeung Ja Yang, Kyungnam University, Südkorea, teilnehmen wird.