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Projekt des Monats Juli/August: In Venningen hat die „AG Zukunft im Dorf“ ein wachsames Auge auf die Dorfentwicklung

Die bürgerschaftliche Initiative in der Gemeinde im Landkreis Südliche Weinstraße ist eine Anlaufstelle für Anregungen und Wünsche aller Generationen des rund 900 Einwohner*innen zählenden Ortes.

„Wir wollen, dass das Dorf attraktiv bleibt und dass für alle etwas dabei ist“, beschreibt Astrid Schlosser die Motivation und Tätigkeit der seit zwölf Jahren existierenden Arbeitsgemeinschaft (AG) Zukunft im Dorf, bei der sie von Beginn an Mitglied ist und das Protokoll führt. Die 59-jährige Hausfrau ist in dem kleinen Ort nicht unbekannt, da sie als freiberufliche Musikerin nicht nur die musikalische Früherziehung im Kindergarten verantwortet, sondern auch den Chor leitet und Organistin in der Pfarrgemeinde ist. Das heißt sie ist sowohl für junge Familien, die Frauengemeinschaft, aber auch die Älteren oftmals eine der ersten Ansprechpartnerinnen für dies und das und somit auch ein ideales Bindeglied zwischen den Einwohner*innen, der AG, – die ihren Angaben zufolge „das wachsame Auge im Dorf ist“ – und der Gemeinde. Lesen Sie im Interview, wie die AG organisiert ist, und welche Aufgaben diese in dem kleinen Ort in der Pfalz übernimmt.

Eine Frau, die lachtAstrid Schlosser (Foto: privat)

Frau Schlosser, warum existiert in der Gemeinde Venningen die AG Zukunft im Dorf?

Schlosser: 2011 war Venningen als „Schwerpunktgemeinde“ anerkannt und wurde vom Land bei der Dorfentwicklung durch eine unabhängige Moderation von einer Beraterfirma unterstützt. Aus den bei einer Bürgerversammlung geäußerten Wünschen und Anregungen wurden anhand des entstandenen Themenkatalogs verschiedene Arbeitsgemeinschaften gebildet, von denen die AG mit dem Thema „Zukunft im Dorf“ bis heute besteht.

Die AG versteht sich als eine erweiterte Form der Bürgerbeteiligung. Unbürokratisch und auf direktem Weg können Anregungen besprochen und umgesetzt werden. So beschaffte die AG z.B. auf Wunsch der jungen Familien zwei Geschwindigkeitsmessanlagen, die in der Hauptstraße angebracht wurden, um eine Geschwindigkeitsreduzierung zu bewirken. Auch stellten wir zwei reflektierende Warnfiguren – sogenannte Streetbuddys – im Kreuzungsbereich auf, um die Sicherheit der Kinder auf dem Weg zum Schulbus zu erhöhen.

Mögliches umsetzen, nicht Funktionierendes beenden

Wie sieht das weitere Tätigkeitsfeld der AG aus?

Schlosser: Wir versuchen, konkrete Wünsche der Bürger zu erfahren und Praktikables umzusetzen. Nach der Bürgerversammlung im Jahr 2011 führten wir in den Jahren 2012, 2015 und 2019 weitere Umfragen bei den Seniorinnen und Senioren durch, um zu erfahren, wie wir für sie das Leben im Dorf attraktiv und lebenswert gestalten können. Dabei schauen wir immer auch über den Tellerrand und greifen Anregungen auf, die uns für unser Dorf geeignet scheinen wie z.B. das Projekt „Mit-Fahr-Bank“, das in der Eifel erfolgreich umgesetzt wurde, sich bei uns aber leider nicht durchgesetzt hat. Wenn bei uns etwas nicht funktioniert, dann halten wir auch nicht daran fest, sondern suchen nach neuen Wegen.

Entscheidend ist jedoch, dass wir uns für alle Generation im Ort einsetzen. Die Bedürfnisse der jungen Menschen und Familien sind für uns genauso wichtig, denn sie sind die Zukunft in unserem Dorf und sollen sich wohl fühlen und im Idealfall auch mit engagieren. Das gelingende Miteinander ist das Ziel unserer Arbeit.

Vom Mittagstisch bis zum Spielplatzfest, für alle Generationen ist etwas dabei

Welche anderen Vorschläge aus der Gemeinde heraus haben Sie bereits umsetzen können?

Schlosser: Da gibt es einige. Sehr erfolgreich ist z.B. der monatliche gemeinsame Mittagstisch, der sich GEMEINSAM ESSEN nennt und der seit 2013 in Venningen existiert. Dieses Projekt wird in Kooperation mit den örtlichen Gastronomen durchgeführt. In diesem Jahr beteiligen sich vier der Gaststätten und ein Caterer an der Aktion, die in der Regel am zweiten Donnerstag im Monat stattfindet. Termine, Ort und das jeweilige Tagesessen werden vorab veröffentlicht.

Bis jeweils Dienstag vor dem Treffen ist eine Anmeldung erforderlich. Die genaue Zahl der Gäste, die im Allgemeinen zwischen 40 und 70 Personen liegt, wird dann an den Ausrichter übermittelt, der das Gericht zu einem Festpreis anbietet. Das Essen findet in den Räumen der Gastronomen statt, die Getränke werden zu Gaststättenpreisen berechnet. Wenn der Caterer für das Essen sorgt, treffen sich die Venninger im Pfarrzentrum und die Mitglieder der AG organisieren die Ausrichtung und Bewirtung des Mittagstischs.

Übrigens, vor Corona gab es zum Mittagstisch am Jahresende einen Infobrief und die Möglichkeit, sich für das ganze Jahr anzumelden. Mal sehen, ob das wieder gelingt, da einer der Gastronomen noch nicht weiß, wie es im nächsten Jahr weitergeht.

Eine weitere Aktion, die sowohl bei den Älteren als auch bei den jungen Familien beliebt ist, ist der Kaffeenachmittag, der in der Regel zweimal im Jahr angeboten wird.

Bis 2019 hatten wir in Zusammenarbeit mit den örtlichen Vereinen zudem auch ein Kinderferienprogramm organisiert, bei dem in jeder Ferienwoche ein Angebot für die Kinder durchgeführt wurde.

Außerdem legten wir auf dem Spielplatz 2019 unter reger Beteiligung vieler Kinder und junger Familien einen Barfußpfad an, den wir seither instandhalten.

Generationenübergreifende Angebote, scheinen in Venningen besonders gut angenommen zu werden …

Schlosser: …ja, dazu gehört etwa auch unser Spielplatzfest, welches wir ursprünglich in diesem Jahr für den Mai geplant hatten, das dann aber buchstäblich ins Wasser gefallen ist. Deshalb haben wir gerade erst am 7. Augusterneut zu einem Fest eingeladen. Weil es die letzten Tage aber schon wieder so viel geregnet hat, sind wir lieber ins Pfarrzentrum ausgewichen und viele sind dann auch gekommen.

Was haben Sie dort angeboten?

Schlosser: Es gab ein reichhaltiges „Mit-Bring-Picknick“, das von allen bestückt und anschließend auch geplündert wurde. An einer Malstation konnten die Kinder kreativ werden und Blumenstecker und Insektenhäuschen bemalen, die auf dem Spielplatz rund um den Barfußpfad aufgehängt und aufgestellt werden sollen. In der „Krabbelecke“ gab es Platz und Spielzeug für die Kleinsten und im Pfarrgarten und auf dem Kirchenvorplatz war die Möglichkeit für die Kinder sich mit Wikinger-Schach, Ballspielen, Hula-Hoop-Reifen, Frisbeewerfen und Malen mit Straßenkreide zu beschäftigen und auszutoben.

Für 17 Uhr hatten wir den Eiswagen bestellt und alle erhielten dafür einen Gutschein über zwei Kugeln Eis. Mit „Eis fürs ganze Dorf“ hatten wir diese Aktion beworben und so kamen auch Erwachsene ohne Kinder und einige Senioren, um sich ihr Eis schmecken zu lassen. Über 100 Personen waren beim Fest und anschließenden Eisessen dabei, was immerhin mehr als zehn Prozent der Venninger Bevölkerung ist. Die Sonne, die dann doch  noch herauskam, sorgte für sommerliches Flair und auch das Schlangestehen am Eiswagen konnte sich gut aushalten lassen. Kinder zuerst! – war die Devise und das hat wunderbar geklappt.

Gemeinsam war dann auch alles schnell wieder aufgeräumt und bei nächster Gelegenheit wird der Spielplatz mit den bunten Kunstwerken geschmückt. Alle Mitglieder der AG waren begeistert über dieses schöne Fest.

Weniger erfolgreiche Ideen umfunktionieren, umplanen oder ruhen lassen

Welch Ideen haben denn bisher nicht so gut funktioniert?

Schlosser: Wenig Erfolg hatten wir mit der schon vorhin genannten Mit-Fahr-Bank, die wir 2017 in Venningen aufgestellt haben. Unser Ziel war es, die Mobilität zu stärken, um dem mangelnden ÖPNV-Angebot eine Alternative entgegenzusetzen. Das Ganze sollte so funktionieren: Neben der blauen Bank ist ein Gestell angebracht, an dem ein Fahrziel gewählt werden kann und das für die vorbeifahrenden Autos sichtbar ist. Damit eine „Rückfahrt“ gewährleistet ist, wurden dann 2019 Pendants dazu bei zwei Einkaufsmärkten in Edenkoben und Edesheim montiert. Leider fand dieses Projekt keine Nachahmer und kaum Interesse bei den Nachbargemeinden und konnte sich nicht etablieren.

Die Kontaktbeschränkungen während der Pandemie ließen unserer Idee dann leider ganz scheitern. Die Bänke in den Nachbargemeinden wurden aufgrund baulicher Veränderungen in den Märkten wieder abmontiert, sind mittlerweile aber neu gestrichen und werden nun einer neuen Nutzung zugeführt. Geplant ist die Aufstellung in der Nähe des Dorfes, um Spaziergängern eine Sitzgelegenheit anzubieten.

Auf wenig Resonanz stieß auch unsere 2014 eingerichtete Nachbarschaftshotline, bei der diverse Angebote nachgefragt werden können. Unter einer Festnetzrufnummer ist die Nachbarschaftshilfe NACHBAR HILFT zu erreichen. Allerdings wurden ausschließlich Fahrdienste etwa zum Arzt oder zur Physiotherapie nachgefragt. Viele dieser Anfragen haben sich dann im persönlichen Kontakt weiterentwickelt, sodass sich eine weitere Vermittlung erübrigte. Selbst der in der Coronazeit organisierte Einkaufsdienst wurde nur einmal beansprucht.

Dass unser Angebot so selten genutzt wird, zeigt jedoch, dass die reale Nachbarschaft in unserer Gemeinde noch funktioniert. Die Leute kennen sich und unterstützen sich gegenseitig.

Auch wählen die Venninger statt der Hotline oft den direkten Weg zu uns – sie sprechen oder rufen uns direkt an. Aber wenn Not am Mann oder der Frau ist und auch für die Zukunft bleibt die Aktion NACHBAR HILFT weiterhin bestehen.

Unser beliebter Kaffeenachmittag war übrigens ursprünglich als Spielenachmittag geplant. Das fand allerdings wenig Anklang und nach einer Umfrage haben wir das Angebot in den Kaffeenachmittag umgewandelt und freuen uns seither über die rege Teilnahme der Bevölkerung.

Unaufwändige Organisationsform – Keine feste Strukturen und für alle offen

Wie viele Personen sind in der AG tätig und warum haben Sie sich für diese Organisationsform entschieden?

Schlosser: Von der ursprünglichen Arbeitsgemeinschaft sind mit mir noch drei Frauen übrig. Nach dem Ende der Moderation waren wir zwischenzeitlich zu siebt, aus beruflichen und gesundheitlichen Gründen beendeten drei davon jedoch ihre Mitarbeit.

2019 luden wir alle jungen Familien zu einem Treffen ein, um uns über ihre Bedürfnisse und Wünsche zu informieren. Einige hatten Interesse, auch weiterhin das Leben im Dorf aktiv mitzugestalten, so zählt unsere AG mittlerweile 14 Personen. Zu unseren regelmäßigen Treffen kommen ca. sechs bis acht Personen – in wechselnder Zusammensetzung, um weitere Aktionen zu planen und Bestehendes fortzuführen. Wenn es etwas zu tun gibt, sei es Bänke streichen oder das im Pfarrzentrum stattfindende Spielplatzfest vorzubereiten und durchzuführen, sind immer genug Helfer und Helferinnen da.

Einen Verein zu gründen oder eine feste Struktur mit Vorsitz zu bilden, haben wir nie in Betracht gezogen. Das ist uns zu viel Aufwand. Wir sind als Arbeitsgemeinschaft Teil der Gemeinde und jederzeit offen für alle, die gerne mitarbeiten. Das funktioniert prima ohne Mitgliedschaft in irgendeiner Form.

Neue Ideen entwickeln und ausprobieren

Gibt es Pläne oder Ideen für neue Angebote oder Aktionen im Dorf?

Schlosser: Die Aufstellung des Büchertauschschrankes ist das nächste Projekt. Dafür haben wir 2022 den Preis „Gesunde Nachbarschaft“ und 1000 Euro Preisgeld von der AOK erhalten. Der Aufstellungsort ist seit letzter Woche genehmigt, sodass der Schrank nun umgehend montiert wird. Wenn der Schrank bei der Bevölkerung Akzeptanz findet, wollen wir weitere Büchertauschschränke aufstellen, eventuell auch getrennt nach Themenbereichen wie Kinder- und Jugendliteratur, Romane, Sachbücher usw.

Für Oktober bereiten wir derzeit einen Infonachmittag mit einer Sicherheitsberatung zum Thema „Telefonbetrug“ durch die Polizei vor.

Weitere Ideen sind eine Feuerlöscherübung und die Anschaffung eines Defibrillators für das Dorf. Und beim Weinfest im nächsten Jahr möchten wir uns mit einem Flohmarkt einbringen.

„Geteilte Freude ist doppelte Freude“

Was ist Ihre und die Motivation Ihrer Mitstreitenden, sich im Dorf einzubringen? Gibt es besondere Erlebnisse, die sie für Ihr Engagement entlohnen?

Schlosser: Gemeinsame Unternehmungen stärken die Gemeinschaft. Selbst ein gemeinsamer Arbeitseinsatz, z.B. das Streichen der Bänke und des Bücherschrankes, macht sehr viel Spaß. Die Einrichtung des Barfußpfades war ein richtiges „Familienfest“, bei dem auch die Kids sehr viel Freude hatten. Dass wir uns gerne engagieren und die Gesellschaft der anderen genießen ist wichtig, schließlich ist es unsere Freizeit, die wir da verbringen.

Auch eine rege Beteiligung an unseren Angeboten ist für uns eine schöne Erfahrung. Zu sehen, dass sich die Menschen wohl fühlen und gerne zum Kaffeenachmittag kommen oder auch zahlreich am Mittagstisch teilnehmen, ist Ansporn dafür, sich weiter zu engagieren. Und wenn ein Fest so erfolgreich ist wie unser „Spielplatzfest“ – auch wenn es nicht auf dem Spielplatz stattfinden konnte – dann macht die Arbeit doppelt Spaß.

Alle unsere Projekte dienen dem Miteinander in der Dorfgemeinschaft. Wie heißt es so schön: Geteilte Freude ist doppelte Freude. Und außerdem soll unser Engagement auch Beispiel und Signal für unsere Kinder und die nachfolgenden Generationen sein.

Verschiedene Generationen zusammenführen gegen Vereinsamung

Wie bewerten Sie die Zukunft im Dorf persönlich?

Schlosser: Gemeinsam ist alles leichter und schöner. Durch unsere Arbeit wollen wir das Leben im Alter erleichtern. Die verschiedenen Generationen werden bei den Aktionen zusammengeführt, so dass keine Vereinsamung der Seniorinnen und Senioren droht. Das Dorfleben soll für alle attraktiv bleiben und die Wünsche der Dorfbewohner werden aufgegriffen. Das ist gut für die Dorfgemeinschaft.

Derzeit ist ein Neubaugebiet ist in Venningen in Planung. Mit den dann neuen Mitbürgerinnen und Mitbürgern wächst auch die Herausforderung, diese ins Dorfleben zu integrieren. Da ist es umso wichtiger, eine Anlaufstelle für Anregungen und Wünsche zu bieten.

Weitere Informationen zur AG Zukunft im Dorf finden Sie auf der Webseite der Gemeinde Venningen oder unter der Selbstdarstellung auf der Webseite der Landesinitiative.