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Projekt des Monats Juni: Ein Café ist das Herzstück des Vereins Nel(i)E und auch der Gemeinde Ellerstadt

Der Name ist Programm: Das Netzwerk li(e)benswertes Ellerstadt, Nel(i)E e.V., trägt dazu bei, dass die 2400-Einwohner-Gemeinde in der Pfalz ein liebens- und lebenswerter Ort ist und bleibt.

Ellerstadt liegt im Landkreis Bad Dürkheim in der Verbandsgemeinde Wachenheim an der Weinstraße, unweit von Ludwigshafen. Als die Bürger-, Freizeit- und Nachbarschaftsinitiative vor drei Jahren startete wurde zeitgleich das EllCafé ins Leben gerufen, das bis heute zentraler Dreh- und Angelpunkt des mittlerweile jungen Vereins ist. Mitinitiatorin ist Thea Habig, die zum Ende der 90er Jahre zur Pflege ihrer Eltern wieder in ihre Heimatgemeinde zog. Die nun 73-jährige ehemalige Leiterin einer Gesamtschule, die sich immer wieder auch ehrenamtlich engagiert hat, arbeitet eng zusammen mit der heutigen Vereinsvorsitzenden Angela Laubenstein, deren Stellvertreterin Ursula Morgenstern und den vielen engagierten Frauen und Männern von Nel(i)E. In Vertretung beantwortet sie „ausnahmsweise“ unsere Fragen und berichtet im Interview von der Aufbau-, Vereins- und Netzwerkarbeit und welche weiteren Ziele sich die engagierten Bürgerinnen und Bürger von Ellerstadt sonst noch gesetzt haben.

 

Frau Habig, warum braucht es das Netzwerk l(i)ebenswertes Ellerstadt, um Ellerstadt liebens- und lebenswert zu machen?

Habig: Eine Bürgerbefragung im Rahmen von Aktivitäten des Sozialausschusses der Gemeinde gab den Anstoß, denn man hatte in der Liste des Bedarfs für den Ort herausgefunden, dass mehr Austausch, generationenübergreifende Kommunikation und auch Ideen für neue Wohnformen gewünscht werden. Eine erste Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern nahm die Ergebnisse aus der Befragung auf und entwickelte unser Projekt.

Von der Google-Recherche zum Café

Sie sind ja noch ein recht junger Verein und auch erst seit kurzem bei der Landesinitiative vertreten, wie sind Sie auf uns gestoßen?

Habig: Wir haben im Internet recherchiert und sind auf die Seite der „Neuen Nachbarschaften“ gestoßen, haben uns da eingelesen und mit den guten Beispielen im Gepäck sind wir dann in ein Brainstorming eingetreten. Unterstützt und motiviert, um uns auf den Weg zu machen, hat uns mit ihrer Erfahrung und auch ihren Tipps Annette Scholl, mit der wir ein fruchtbares Vorgespräch vor Ort führen konnten. Sie gab uns dabei viele hilfreiche Ratschläge und positive Rückmeldung zu unserem Projekt.

Da die Umsetzung unserer Ideen auch Geld kosten würde, wies uns Frau Scholl auf die entsprechenden Stellen im Ministerium hin, die unsere Förderanträge bearbeiten konnten und uns Hilfestellung bei der Anschubfinanzierung gaben.

Hinzu kam, dass Gemeinde, Gemeinderat und Bürgermeisterin dem Projekt von Anfang an positiv gewogen waren und wir damit Räumlichkeiten für unser Café erhielten Diese wurden renoviert und den Bedürfnissen in großem Maße angepasst. Die Gemeinde übernimmt noch immer die Betriebskosten wie Strom, Heizung und Wasser.

Was haben Sie mit den Fördergeldern unternommen?

Habig: Die Fördergelder haben wir überwiegend dazu verwendet, Ausstattungsgegenstände wie Theke, Kühlschänke und Kaffeemaschine anzuschaffen. Weiterhin haben wir für die Erreichbarkeit und Internetpräsenz Handy und Laptop gekauft.

…das Café scheint ja eine besondere Bedeutung zu haben?

Habig: Ja, das EllCafé ist sozusagen das Herzstück unseres Vereins, der wir ja seit 2023 sind, welches es aber schon seit 2021 mit Beginn der Initiative gibt. Das Café wurde in einem Raum des Bürgerhauses eingerichtet, den die Gemeinde uns zur Verfügung gestellt hat und uns die Miete spendet. Von Bürgerinnen und Bürgern haben wir Mobiliar und Geschirr gestiftet bekommen. Zudem haben wir Stühle gestaltet und so ein ganz besonderes Flair und eine schöne Atmosphäre im Café geschaffen.

„Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde jeden Alters an den Tisch holen, damit sie im Gespräch bleiben“

Hier in unserem EllCafé wird sich getroffen, gelacht, erzählt und entspannt. Es finden Veranstaltungen statt, die von den Vereinsmitgliedern, Mitbürgern und Menschen aus Nachbargemeinden besucht werden. Wir wollen die Bürgerinnen und Bürger der Gemeinde jeden Alters an den Tisch holen, damit sie untereinander im Gespräch bleiben, das ist unser großes Ziel.

Um ins Gespräch zu kommen ist Essen und Trinken ja immer ein schöner Rahmen, was bieten Sie denn so an im Café?

Habig: Regelmäßig ist mittwochs und sonntags von 14.30 bis 18.30 geöffnet mit Kaffeespezialitäten, Tee und selbstgebackenen Kuchen sowie Säften, Wasser und – nicht zu vergessen – ein Angebot der Weine unserer Ellerstädter Winzer. Das wird gegen Abend häufig angenommen, dann kommen Eltern mit Kindern zu einer Schorle und haben ein wenig gemeinsame Auszeit, während die Kinder in unserer Spielecke beschäftigt sind.

Seniorenfrühstück mit Abholservice gegen Einsamkeit

Einmal im Monat kommen zudem bis zu 30 Personen zu einem Seniorenfrühstück. Wir holen die Senioren bei Bedarf ab und bringen Sie wieder nach Hause. Ziel ist es, die alten Menschen aus ihrer Einsamkeit zu holen. Und bei der Einen oder dem Anderen gelingt uns das tatsächlich. Dafür richten wir dann das Essen schön auf Etageren an etc. Die Leute mögen das und viele kommen schon eine Viertelstunde früher bevor das Frühstück um 9.00 Uhr beginnt, um ihren angestammten Platz zu erhalten.

Von Essensangeboten über Reparaturcafés bis hin zu Unterstützungen und einem Kinderferienprogramm

Und welche Veranstaltungen finden dort sonst noch statt?

Habig: Wir veranstalten einmal monatlich ein Reparaturcafé für Elektrokleingeräte, Fahrräder und für kleine Nähreparaturen. Das wird gut angenommen. Man kann zudem zu Terminen einmal im Monat eine Nähschule, das Lesecafé und den Handarbeitstreff besuchen oder beim After-Work-Aquarellieren entspannen und den ein oder anderen Tipp mitnehmen.

Auf Zuruf helfen Ehrenamtliche auch beim Ausfüllen von Formularen, es gibt Unterstützung im Umgang mit dem PC und zum Seniorenfrühstück hilft unsere Digitalbotschafterin immer bei Problemen mit Handy und Tablet.

Um grundsätzlich das Ressourcensparen zu initiieren, veranstalten wir zwei- bis dreimal im Jahr einen Flohmarkt und Kleidertauschtage. Auch dies wird beides sehr gut angenommen.

Ab diesem Sommer wird außerdem das Kinderferienprogramm wieder auf die Beine gestellt, ein Angebot von zwei Wochen in den Sommerferien zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Ab und zu machen wir sonntags besondere Essensangebote wie Dampfnudeln mit Kartoffelsuppe, Paella oder wie letzthin, mit Unterstützung unserer afghanischen Bürgerinnen, eine afghanische Reistafel.

Weiterhin finden zeitgleich zu Caféöffnungszeiten Angebote anderer dörflicher Institutionen statt, sodass ein gegenseitiger Austausch immer gewährleistet ist, wie ein Spielenachmittag und Kunstausstellungen, Bastelaktionen und Vorlesestunden für Kinder, Veranstaltungen der Umweltarbeitskreises und vieles mehr.

Das ist nicht nur vielseitig, sondern hört sich ja auch nach einem größeren personellen Aufwand an. Wie stemmen Sie das alles?

Habig: Nun, wir sind mittlerweile ca. 40 Vereinsmitglieder im Alter von etwa 40 bis 80 Jahren. Darunter ist ein Kern von etwa zwanzig Leuten, die sich in der Cafégruppe engagieren – Mitglieder des Vereins, aber auch Nichtmitglieder. Sie backen Kuchen oder machen Dienst, organisieren den Einsatzplan über eine WhatsApp-Gruppe, betreuen die Homepage, sorgen für die Werbung, alles unentgeltlich und ehrenamtlich. Derzeit haben wir zudem noch eine geflüchtete Frau als Minijobberin angestellt, die über das Integrationsministerium gefördert wurde und im Café arbeitet.

Einmal im Monat findet zudem einen Gesprächsabend mit den Aktiven statt, um alles zu klären, was aktuell ansteht. In jedem zweiten Monat tagt der Vorstand und regelt dann auch weitere Termine, Aktionen, Anschaffungen usw.

„Es geht uns um punktuelle Hilfeleistungen auf Zuruf mit individuellen Lösungen“

Bieten Sie auch klassische Hilfen an wie Unterstützungen rund um Haus und Haushalt?

Habig: Wir haben eine Pinwand, dort kann man Angebote machen und auch Anfragen stellen für kleine Hilfen im Alltag. Von den klassischen Angeboten, die auch eine Sozialstation anbietet, haben wir abgesehen. Wir wollen niemanden überfordern, was z.B. eine Regelmäßigkeit von Angeboten mit sich bringen würde. Es darf kein Selbstverständnis entstehen, es geht uns um punktuelle Hilfeleistungen auf Zuruf mit individuellen Lösungen.

Das heißt, Sie Arbeiten auch nicht mit Geldbeträgen?

Habig: Neben unserem regelmäßigen Vereinsmitgliedsbeitrag von 24 Euro im Jahr, hatten wir auch einmal überlegt, den ganzen Dienstleistungen eine Wertigkeit zu geben über Punkte oder kleine Geldbeträge, aber das schien uns zu komplex bzw. zu schwer, wie etwa jeweils einzelne Dienstleistungen zu bewerten sind. Nur bei unserem zweiwöchigen Kinderferienprogramm, verlangen wir Geld, aber da ist dann auch regelmäßiges Essen mit dabei.

Zeit schenken für soziale Partnerschaften

Zudem haben wir auch ein Zeitschenker-Projekt installiert. Da geht es oft etwa um eine Einkaufshilfe, aber eigentlich soll damit ein Kontakt zwischen Personen hergestellt werden, die einander vertrauen können. Oft ist ja gerade bei älteren Personen eine gewisse Angst vorhanden, fremde Personen ins eigene Haus zu lassen. Durch das Zeitschenker-Projekt gelingt es aber sehr gut, Kontakt und Vertrauen herzustellen, so entstehen soziale „Partnerschaften“.

Zauberwort „Vernetzung“

Welche Bedeutung spielen Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit für die Nel(i)Es?

Habig: Vernetzung ist das Zauberwort für das Gelingen unserer Arbeit. Das Café ist dabei das Zentrum unseres Netzwerkes, es ist in der Gemeinde sehr bekannt und wir werden von der Bürgermeisterin und dem Gemeinderat sehr unterstützt. Sie zeigen sich unserer Arbeit und der Sache gegenüber sehr offen und zugetan. Und auch wir versuchen z.B. keine Konkurrenzangebote zur Gemeinde zu machen, wenn also ein Fest oder andere Veranstaltungen in Ellerstadt stattfinden, dann schließen wir das Café und im Aushang steht, dass wir bei dieser oder jener Veranstaltung anzutreffen sind.

Klassische Öffentlichkeitsarbeit machen wir wenig, wir haben Auslagen in den Geschäften mit unseren monatlichen Aktivitäten und veröffentlichen im Amtsblatt. Wir legen Flyer in unserem Café aus und sind auf Instagram und Facebook vertreten. Über die Veranstaltungen kommen auch immer mehr Bürgerinnen aus Nachbargemeinden zu uns über Ausstellungen und Veranstaltungen. Auch die Landfrauen treffen sich in unserem Café, das spricht sich rum. Wir werden zudem als Anlaufstelle vom Tourismusbüro der Stadt genannt etwa für Menschen, die auf dem Kraut-und-Rüben-Radweg unterwegs sind.

Außerdem haben wir eine gute Homepage, die von zwei Fachfrauen gestaltet und gepflegt wird.

Apropos Webseite, auf dieser ist mir noch ein besonderes Angebot aufgefallen, der EllerstadterAutoteiler EllAT. Was hat es damit auf sich?

Habig: Hintergrund ist, dass eine Familie in der Gemeinde zwei Autos hatte, wovon Sie eines der Allgemeinheit zur Mobilität gestiftet hat. Es steht zentral im Ort auf einem von der Gemeinde zugewiesenen und gekennzeichneten Platz und kann so wie ein Car-Sharing-Angebot in anderen Städten genutzt werden. Die Details sind im Flyer erkenntlich.

Was ist Ihre Motivation, sich zu engagieren?

Habig:Mir persönlich gefällt ja, dass die Arbeit so vielfältig ist, mit all dem, was bei uns läuft. Außerdem trifft man immer Menschen, junge und alte, und bleibt im Gespräch. Das hilft gegen Vereinsamung und hält jung.

„Schlafbürger“ einbinden und generationenübergreifende Wohnform initiieren

Welche Ziele haben Sie und ihre Mitstreitenden sich für die weitere Arbeit gesetzt?

Habig: Nun wir möchten noch stärker Mehrgenerationenprojekte anbieten. Derzeit engagieren sich überwiegend Ältere, viele Jüngere haben ja wenig Zeit für Engagement aufgrund Familie, Beruf oder Pflege von Eltern. Wir hoffen diese noch besser zu erreichen und in unser Netzwerk einzubinden. Gerade in den Neubaugebieten wohnen viele „Schlafbürger“ von Ellerstadt, die gar nicht wissen, was bei uns im Ort los ist. Die wollen und müssen wir für eine lebendige Gemeinde erreichen und das gelingt uns ja vielleicht auch durch unser vielfältiges Angebot.

Unser großes Ziel ist es, eine generationenübergreifende Wohnform zu initiieren. Da sind wir noch auf der Suche nach passenden Objekten, wie etwa ein altes Weingut oder durch Aktivierung des vorhandenen Bauerwartungslandes der Gemeinde im Bereich von Mehrgenerationenwohnformen und im sozialen Wohnungsbau. Aber auch eine Wohn-Pflege-Gemeinschaft wird diskutiert. Insgesamt fehlt uns vor allem auch Wohnraum für Ältere, die die Treppen in ihren zwei oder drei Etagen der Einfamilienhäuser nicht mehr steigen können.

Ich denke, insgesamt sind wir vielfältig aufgestellt und unsere geplanten Vorhaben werden uns sicherlich noch eine Weile lang beschäftigen.

Dafür ein gutes Gelingen und Danke für das Gespräch, Frau Habig

Weitere Informationen über den Verein finden Sie auf der Projektdarstellung der Webseite der Landesinitiative  und der Vereinswebseite. Über den Autoteiler EllAT erfahren Sie mehr hier.