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Projekt des Monats September/Oktober 2024: Ob jung oder alt, in Kruft sorgt eine Initiative für gesellschaftliche Teilhabe und Einflussmöglichkeiten

Seit 25 Jahren werden in der Gemeinde im Landkreis Mayen-Koblenz Angebote entwickelt und umgesetzt, die auf die spezifischen Bedürfnisse von Jugendlichen und Älteren angepasst sind.

Unweit vom Laacher See liegt die knapp 4700 Einwohner zählende Gemeinde Kruft in der Region Pellenz, zur gleichnamigen Verbandsgemeinde gehörend. In dem Ort wird schon seit Langem offene Jugend- und Seniorenarbeit über die Initiative „Jugend und 60 PLUS“ betrieben und das sehr erfolgreich, denn in Kruft hat sich eine umfangreiche und breite Palette von Angeboten für Jung und Alt etabliert. Wesentlich dazu bei trägt Martin Busenbender, der seit knapp 20 Jahren mit einer Vollzeitstelle die Initiative leitet. Der 46-jährige Krufter ist als Quereinsteiger in den Bereich Jugend- und Seniorenarbeit gelangt. Neben diversen Qualifikationen hat er viele berufliche Erfahrungen mit in den Job gebracht. Auch bei „Jugend und 60 PLUS“ist seine Arbeit breit gestreut: als Öffentlichkeitsarbeiter, Netzwerker, Ansprechpartner für Hilfe und Beratung oder Organisator und Koordinator einer Reihe von Angeboten, wie er im Interview berichtet.

 

Martin Busenbender (Foto: privat)

Herr Busenbender, „Jugend und 60 PLUS“ heißt die Initiative in Kruft? Das hört sich sehr generationenübergreifend an…

Busendender: Nun, dazu muss ich zunächst erklären, dass ich mit meiner Vollzeitstelle genau im Bereich dieser beiden Zielgruppen im Ort arbeite. Meine Tätigkeit besteht zu 70 Prozent in der Jugend- und zu 30 Prozent in der Seniorenarbeit. Dies kann natürlich im Alltag – je nachdem, was gerade ansteht – variieren.

Es ist allerdings so, dass es nur wenig Berührungspunkte oder Überschneidungen zwischen diesen beiden Generationen gibt. Das ist im Bereich der offenen Jugendarbeit aber auch eigentlich normal. Denn gerade Jugendliche, denen wir mit unserem Jugendzentrum einen offenen Treff anbieten, nutzen diesen als Rückzugsmöglichkeit, um unter Gleichaltrigen zu sein für ihre eigenen Interessen.

Ganz anders ist dies, wenn beispielsweise Veranstaltungen in Kooperation mit Schulen oder Kitas angeboten werden oder das Angebot gezielt generationenübergreifend geplant ist. In der Kita oder auch in der Grundschule gibt es für Jüngere feste verpflichtende Strukturen, in denen genau solche Angebote und Projekte gut organisiert werden können und die dann auch funktionieren. Für meine Arbeit gibt es hier mit dem Seniorenmittagstisch ein gutes Beispiel, bei dem sowohl die Grundschule als auch die Kita bereits zu Gast waren. Einige Jahre fand der Mittagstisch sogar in der Kita statt, wo Kindergartenkinder gemeinsam mit den Erzieherinnen für die Senioren gekocht haben.  Des Weiteren wurden Enkeltage im Rahmen des Ferienprogramms gut angenommen, beispielsweise mit dem Angebot „Schwätze bi Uma on Upa“, bei dem die Kinder unseren Dialekt von den Älteren lernen konnten.

Mitmachen und Einfluss nehmen

Seit wann gibt es diese Initiative in Kruft und wie ist sie entstanden und wie sind sie organisiert?

Busenbender: Die Initiative gibt es bereits seit 1999. Es ging von Anfang an darum, den Kruftern der entsprechenden Altersgruppen, die nicht in Vereinen oder anderen Strukturen organisiert sind, eine Möglichkeit zu bieten am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, zur Selbstbestimmung zu befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und sozialem Engagement anzuregen. Wer an den Angeboten in Kruft teilnimmt, kann so auch mit Einfluss an diesen nehmen.

Ich selbst arbeite erst seit 2005 auf der Stelle, die mit einem Büro im Rathaus und im Jugendzentrum verortet ist. Hier bin ich persönlich und natürlich auch telefonisch, per Mail oder über die sozialen Netzwerke erreichbar. Die Altersgruppe spielt übrigens keine Rolle dabei, auf welchem Weg der Kontakt aufgebaut wird. Die Seniorinnen und Senioren sind ebenfalls in den sozialen Netzwerken vertreten.

Ob Auspowern oder Chillen, zur Ausbildungsmesse oder Ferienfahrt

Was bieten Sie für die Jugend denn regelmäßig an?

Busenbender: Dreh- und Angelpunkt ist das Jugendzentrum, das montags bis mittwochs von 15 bis 19 Uhr geöffnet hat. Dort ist vieles möglich, man kann einfach nur auf Sofas chillen, es gibt I-Pads, Spielekonsolen aber auch Dart oder Kicker und Möglichkeiten sich auszupowern, an der Klimmzugstange, einem Boxsack oder anderen Geräten. Es werden Ferienprogramme angeboten und wichtig zur beruflichen Orientierung der jungen Leute ist die Pellenzer Lehrstellen- und Informationsbörse, eine Ausbildungsmesse, die ich organisiere.

Kooperation und Zusammenarbeit ist auch in der Jugendarbeit wichtig, sodass einige Projekte und auch Aktionen mit den Kolleginnen und Kollegen der angrenzenden Ortsgemeinden regelmäßig stattfinden. Dazu zählen ein Open Air-Kino, ein Kinder- und Jugendflohmarkt, Ferienfahrten und weitere Veranstaltungen.

Beim Stammtisch entwickeln und planen die älteren Ehrenamtlichen viele Ideen und Aktionen

… und mit welchen Angeboten sprechen Sie die Seniorinnen und Senioren an?

Busenbender: Zu festen Tagen in der Woche oder im Monat bieten wir unterschiedlichste Angebote an. Sei es ein Handarbeitskreis oder ein Spielenachmittag im Rathaus, die Sport- und Bewegungsgruppe in der Vulkanhalle oder den von Ehrenamtlichen begleiteten Mittagstisch im Pfarrsaal an jedem dritten Dienstag im Monat. Es werden Feste zu bestimmten Anlässen gefeiert und Vortragsabende zu verschiedenen Themen organisiert. Dann werden auch Wanderungen, Ausflüge, Tagesfahrten durchgeführt.

Ganz wichtig ist in diesem Zusammenhang auch der Planungstisch bzw. Stammtisch, bei dem sich regelmäßig ehrenamtliche Seniorinnen und Senioren einmal im Monat treffen, um sich auszutauschen, Aktionen zu planen und neue Ideen für die Zukunft zu entwickeln.

Vernetzung bis zum „Wohlfühltag“

Das alles hört sich auch nach intensiver Netzwerkarbeit an. Wer sind Ihre Partner?

Busenbender: Ja das Netzwerk ist wichtig und ich stehe mit vielen Organisationen in Kontakt, ob Vereine, katholische Kirchengemeinde, die katholische Frauengemeinschaft, die Kreisverwaltung, die Verbandsgemeinde Pellenz oder auch der Pflegestützpunkt Pellenz/Mendig.

Ein schönes Bespiel dafür ist etwa unser Wohlfühltag, der gerade erst jetzt im Oktober war. Er findet einmal im Jahr statt und ist ein Gemeinschaftsangebot der Ortsgemeinde Kruft, dem Pflegestützpunkt und der Kirchengemeinde. Er richtet sich an Menschen, die einmal an einen Tag raus aus ihrem Alltag kommen wollen. Es ist ein kostenloses Angebot für Geselligkeit mit Essen und Trinken, Kreativität sowie Bewegung. Der Tag spricht insbesondere Ältere und Krankheitserfahrene an, aber auch pflegende Angehörige.

Wie sieht es denn mit klassischen nachbarschaftlichen Hilfeleistungen aus, sind diese ebenso gefragt und bieten Sie hier etwas an?

Busenbender: Es gibt bei uns einige selbstorganisierte Nachbarschaften. Die kleinen Hilfestellungen wie Einkaufshilfen, Gespräche gegen Einsamkeit und Langeweile oder Hilfestellung bei Impfterminen, die ich etwa zur Pandemie angeboten hatte, waren weniger nachgefragt als ich angenommen hatte. Die Nachbarschaften scheinen also in Kruft ganz gut zu funktionieren, sodass hier in der Coronazeit keine große Nachfrage nach weiteren solchen Angeboten bestand.

Im Rahmen der Seniorenarbeit kann eine Hilfestellung wie in Pandemiezeiten, leider nicht geleistet werden. Hier gibt es in Pellenz aber einen Seniorenhilfeverein, der solche kleinen Hilfen anbietet und, wie ich weiß, die auch gut genutzt werden.

„Das Zeitfenster, in dem sich Ehrenamtliche engagieren wollen, scheint immer enger zu werden“

Bei den vielen Angeboten, die Sie zuvor genannt haben, steckt ja auch viel Ehrenamtsarbeit mit drin. Wer und wie viele Menschen engagieren sich in Ihrer Gemeinde?

Busenbender: Bei den Aktionen der Seniorenarbeit, die im Rahmen meiner Arbeit angeboten werden, sind acht ehrenamtliche Senioren aktiv. Es sind vor allem freiwillig Engagierte, die älter als 60 Jahre sind, die über unsere Initiative regelmäßiges Engagement leisten.

Mich selbst hat die Frage interessiert, wie viel Entwicklungspotenzial das Engagement in unserer Gemeinde hat, weshalb ich 2023 von Oktober bis Dezember eine eigene Umfrage in der Ortsgemeinde gestartet habe, sowohl Online als auch über das Amtsblatt. Es kamen immerhin rund 70 Rückmeldungen. Das Erschreckende dabei allerdings war, dass sich nur sieben Leute vorstellen konnten, sich regelmäßig zu engagieren – und diese waren 70 Jahre und älter. Das Zeitfenster, in dem sich Ehrenamtliche engagieren wollen, scheint also immer enger zu werden.

Gibt es Ziele oder Ideen für die nähere und weitere Zukunft, die Sie sich gesetzt haben bzw. die Sie sich vorstellen können?

Busenbender: Nun, das kann ich kurz und knapp beantworten: Sowohl für die Jugendarbeit als auch für die Seniorenarbeit ist es mein Ziel, die bestehenden Angebote beizubehalten und Neues zu entwickeln und zu installieren, selbstverständlich mit allen anderen Engagierten zusammen.

Kontakte über Jahre hinweg und ein „Wunschzettel für alle“

Was sind Erlebnisse, die Sie in Ihrer nun schon fast 20-jährigen Tätigkeit geprägt oder besonders berührt haben?

Busenbender: Egal, um welche Altersgruppe es sich handelt, es ist schön zu erleben, wenn man Personen mit seiner Arbeit erreicht. Ob dies nun mit Veranstaltungen, Hilfestellungen oder einfach nur durch Gespräche geschieht, es gibt hier viele Parallelen in der Jugend- und Seniorenarbeit.

Im Bereich der Jugendarbeit habe ich einige Jahrgänge im Jungendzentrum kommen und gehen sehen und es gibt immer wieder Einzelne, die auch nach Jahren, teils im Erwachsenenalter mit eigenen Kindern, wiederkommen auf ein Gespräch, das freut mich sehr. Auch bei den Seniorinnen und Senioren gibt es die treuen Weggefährten, die meine Arbeit seit Jahren begleiten, die aber irgendwann durch Krankheit oder Altersgründen nicht mehr teilnehmen können. Auch wenn das ein Prozess ist, der zum Leben gehört, ist dies jedes Mal keine schöne Erfahrung.

Berührend finde ich zudem auch die Aktion „Wunschzettel“, die nun bald wieder zur Weihnachtszeit ansteht und die ich völlig unabhängig von den beiden Altersgruppen organisiere. Sie soll dazu beitragen, dass persönliche Weihnachtswünsche in Erfüllung gehen. Hierbei geht es nicht nur um Bedürftigkeit, sondern um das Miteinander, das Zusammenrücken. Egal ob Wollsocken, eine Mütze oder eine andere Kleinigkeit, Wünsche werden anonym an einen Weihnachtsbaum gehangen und können von den Kruftern erfüllt werden. Die Geschenkübergabe erfolgt durch mich, so bleibt anonym, wer Wünschender und Schenkender ist.

Vielen Dank Herr Busenbender für das Gespräch.

Weitere Informationen zur Initiiative aus Kruft über die Darstellung auf der Webseite der Landesinitiative oder der Webseite von „Jugend und 60 PLUS“ sowie auf Facebook und Instagram.

Informationen zur Pellenzer Lehrstellen- und Informationsbörse über die Webseite, Facebook oder Instagram.