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Projekt des Monats April/Mai: Tagaktive Heinzelmännchen sind ein Segen für viele Ingelheimer

Knapp zehn Jahre alt ist die Initiative „Ingelheimer Heinzelmännchen“. Vor allem ältere Menschen schätzen die kostenlosen Dienste eines kleinen, aber feinen Stammes von Helferinnen und Helfern.

Heinzelmännchen waren einer Sage nach Hausgeister, die nachts die Arbeit der Kölnerinnen und Kölner verrichteten, während diese schliefen. Die Ingelheimer Heinzelmännchen sind ebenso emsig, wollen ihre Arbeit aber nicht im Heimlichen und nachts verrichten. Sie bieten ihre Dienste vor allem Älteren an, und auch nicht in der Millionenstadt Köln, sondern in der rund 35.000 Einwohner zählenden Stadt Ingelheim – zwar ebenfalls am Rhein, doch im Landkreis Mainz-Bingen gelegen. Mitinitiator der Heinzelmännchen ist Bernhard Ader (72), der ehemals als Marketingleiter bei der Schott AG gearbeitet hat. Im Interview verrät er, wie die organisierte Nachbarschaftshilfe anfing, wie die Initiative aufgestellt ist und wie sie wirkt.

Bernhard Ader (l.) und Joy Dutt (Abfotografie, privat)

Herr Ader, die Ingelheimer Heinzelmännchen bewegen sich langsam auf das zehnjährige Jubiläum zu. Wie sind Sie gestartet, haben Sie damit gerechnet so lange am Ball zu bleiben? Und wie zufrieden sind Sie rückblickend mit der bisherigen Arbeit?

Ader: Im Jahr 2013 sprach mich mein Kollege Joy Dutt, der Seniortrainer war, an und fragte mich, ob ich mit Gleichgesinnten nicht eine Hilfsgruppe gründen wollte, da wir doch noch so aktiv wären. Zunächst einmal fuhren wir dann in verschiedene Orte und schauten uns um, wie andere Organisationen in dem Bereich arbeiten. Daraufhin erst haben wir uns entschieden, selbst eine Initiative zu gründen. Vorbild waren uns die „Wäller Heinzelmännchen“ aus dem Westerwald (ebenfalls ein Mitglied der Landesinitiative, die Red.).

Wir hatten schon von Beginn an damit gerechnet, dass unser Engagement länger anhalten wird, weil die Hilfsbedürftigkeit von älteren Menschen ja nicht nachlässt.

Über die Zeit gesehen, sind die Anfragen an uns etwas weniger geworden, da sich weitere Mitbewerber vor Ort etabliert haben, die sich um Ältere kümmern, sei es Kirchenbetreuung, Pflegedienste, die als zusätzliche Leistung einkaufen gehen, oder professionelle kostenpflichtige Fahrdienste. Alles in allem sind wir aber sehr zufrieden mit unserer Arbeit und in der Ingelheimer Gesellschaft anerkannt.

Bunt gemischter Trupp mit vielen Qualifikationen

Wie viele Menschen engagieren sich aktuell bei Ihnen und hat sich die Zusammensetzung der Heinzelmännchen seit der Gründung verändert?

Ader: Wir sind aktuell zwölf Personen, die sich schon länger engagieren plus vier neue Helfer. Das Durchschnittsalter der Aktiven liegt bei 65 plus/minus fünf Jahre, aber auch einzelne 40- und 50-Jährige sind dabei. Wir kommen alle aus ganz unterschiedlichen Berufen – etwa Arzt, Krankenschwester, Handwerker, Computerfachleute oder aus dem sozialen Bereich – und wir haben sehr unterschiedliche Hintergründe. So engagieren sich bei uns etwa auch eine Deutsch-Iranerin und ein Deutsch-Singhalese.

Im Laufe der Zeit sind bereits einige aus Altersgründen oder eines Wegzugs ausgeschieden bzw. auch verstorben. Sehr unterschiedlich ist immer die Regelmäßigkeit des Engagements der Einzelnen; manche übernehmen monatelang keine Tätigkeit, andere sind zwei- bis dreimal in der Woche aktiv bei uns.

Einsatztelefon und Doodle-Terminabfragen

Wie sind Sie organisatorisch aufgestellt?

Ader: Wir sind bewusst kein Verein, aber wir sind ans Mehrgenerationenhaus Ingelheim angebunden. Das hat für uns den Vorteil, dass uns das Haus bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, Werbeflyer für uns druckt und etwa Kontakte zur Stadtverwaltung herstellt.

Wir haben auch keine festen Bürozeiten, sondern sind rund um die Uhr erreichbar. Jeweils einer von uns übernimmt für etwa sechs Wochen das Einsatztelefon, um Aufträge entgegenzunehmen – das sind circa sechs bis acht in der Woche. Diese werden dann per E-Mail an alle Helferinnen und Helfer weitergegeben mit einer Doodle-Terminabfrage. Die Person, welche die Anfrage übernimmt, setzt ein Häkchen hinter die Anfrage und setzt sich mit der bedürftigen Person in Verbindung.

Wen in Ingelheim möchten Sie erreichen und wie kommen die Kontakte zu Ihnen zustande?

Ader: Wir sprechen hauptsächlich Ältere an, aber auch alleinstehende jüngere Hilfsbedürftige. Wir informieren über uns regelmäßig in Haushaltszeitungen, ab und zu erscheint auch ein großer Artikel in der Tageszeitung. Wir verteilen Flyer dort, wo Ältere hingehen etwa in Arztpraxen, Apotheken, bei Seniorennachmittagen der Stadt oder Kirchenveranstaltungen. Ganz wichtig ist für uns die Mundpropaganda, denn wir haben viele Stammkundinnen und -kunden, die gute Erfahrung mit uns gemacht haben.

Kostenlose Dienste – Spenden werden am Jahresende als „Kilometer-Geld“ verteilt

Welches sind schließlich die Hauptangebote der Heinzelmännchen für die Menschen vor Ort?

Ader: Prinzipiell haben wir etwa sieben regelmäßig nachgefragte Einsatzbereiche: Das sind Handwerk, Technik und Elektronik, Schlepp- und Tragearbeiten, Fahrdienste, Gartenarbeit, Einkaufen gehen sowie Spazieren gehen mit Älteren oder Gesprächsnachmittage.

Hauptsächlich nachgefragt ist Handwerkliches, wie kleine Reparaturen. Wir machen wiederkehrende, aber keine regelmäßigen Arbeiten, wie z. B. alle 14 Tage Rasenmähen, denn wir wollen den professionellen Diensten die Arbeit nicht wegnehmen. Seltener sind Fahrdienste zum Arzt, denn die Krankenkassen zahlen ja auch ein Taxi.

Prinzipiell sind alles unsere Dienste kostenlos, wir nehmen jedoch kleine Spenden an, die in eine zentrale Kasse kommen. Am Jahresende wird dieses Geld dann an alle als ein „Kilometer-Geld“ ausgezahlt. Wer also für bestimmte Tätigkeiten viele Kilometer mit seinem PKW zurückgelegt hat, erhält auch etwas mehr Geld aus dem Topf.

Welches Feedback geben die Engagierten von ihrer Arbeit mit den Menschen und wie tauschen sie sich untereinander aus?

Ader: Unsere Helferinnen und Helfer treffen sich alle 14 Tage im Mehrgenerationenhaus zum Austausch. Dabei werden die Aufträge durchgesprochen, ob wir sie etwa gut abgearbeitet haben, und Erfahrungen mit unseren Kundinnen und Kunden mitgeteilt.

Zur Teambildung machen wir einmal im Jahr einen Ausflug in eine andere Stadt, so waren wir z. B. in Köln dem Ursprung der Heinzelmännchen auf der Spur. Wir machen zudem eine Weihnachtsfeier und auch ein Sommerfest.

Gerne beteiligen wir uns auch an Info-Ständen, um mit anderen Organisationen und Personen in Kontakt zu kommen, wie etwa auf dem Rheinland-Pfalz-Tag.

Yoga für die Fitness der Helferinnen und Helfer

Insgesamt sind Sie ja noch eine recht junge Truppe von Helferinnen und Helfern. Einige Projekte der Landesinitiative melden uns zurück, dass es mit zunehmenden Alter der Engagierten oft schwieriger wird, die Angebote aufrechtzuerhalten. Machen Sie sich Gedanken darüber?

Ader: Ja durchaus. Interessant ist hier vielleicht das Senioren-Yoga, das wir seit 2019 für die Heinzelmännchen – wieder auf Initiative von Joy Dutt, einem Deutsch-Inder – anbieten. Wir wollten nicht nur Neues auf die Beine bringen, sondern wir haben auch gesehen, dass viele Ältere nichts mehr für ihre Bewegung tun und träge werden. Yoga hält Gelenke, Muskeln und Sehnen in Schwung. Mit unserer Übungsleiterin Uta treffen wir uns einmal die Woche für besonders gelenkschonendes Training. Es soll niemand Sorge haben, dabei eine gewisse Leistung erbringen zu müssen. Wir sind derzeit zehn bis zwölf Personen, die sich zum Yoga treffen – im Sommer auf der Wiese, im Winter in einem Ruheraum. Zum Ende der Übungen findet Yoga-Nitra statt, das ist eine Viertelstunde Ruhe und Entspannung.

Hat die Corona-Pandemie Ihre Arbeit eingeschränkt oder verändert?

Ader: Ja, ab Frühjahr 2020 hatten wir deutlich weniger Aufträge. Die Älteren scheuten Kontakte, sie legten Einkaufszettel mit Geld vor die Tür. Wir machten daher auch viel Aufklärungsarbeit, dass wir die Hygieneregeln einhalten und den Leuten nicht zu nahekommen. An manchen Stellen wie z. B. Apotheken wurden auch keine Flyer mehr ausgelegt – aber das ändert sich nun zum Glück und teilweise werden Flyer wieder ausgelegt.

Gut vernetzt und Drang noch mehr zu tun

Wie gut sind Sie in Ingelheim vernetzt und wer sind die wichtigsten Partner vor Ort?

Ader: Die Vernetzung in Ingelheim ist eigentlich sehr gut: etwa zum Besucherdienst, zum Pflegestützpunkt, Arzthelferinnen geben unserer Flyer heraus. Jedoch von den Kirchen und den Pflegediensten erwarten wir eigentlich nichts mehr, sie empfinden uns wohl als Konkurrenz.

Gibt es kurzfristige Ziele, die Sie mit den Heinzelmännchen umsetzen wollen?

Ader: Nein, große Veränderungen in der nächsten Zeit planen wir nicht. Wir wollen allerdings insgesamt besser bei der Bevölkerung bekannt werden, insbesondere z. B., dass unsere Dienste kostenlos sind, damit wir stärker in Anspruch genommen werden. Wir fragen uns etwa, wie Ältere ihre Scheu ablegen können, um uns zu kontaktieren. Denn viele meinen noch Vieles alleine bewerkstelligen zu können, obwohl Hilfe angebracht wäre und nur zu häufig warten sie auch mit nötigen Arbeiten, bis ihre Kinder einmal vorbeikommen.

Herr Ader, vielen Dank für das Gespräch.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie unter der Selbstdarstellung des Projektes auf der Webseite der Landesinitiative.

Wollen Sie die Ingelheimer Heinzelmännchen und deren Arbeit kennenlernen? Dann besuchen Sie den Stand der Landesinitiative Neue Nachbarschaften auf dem diesjährigen Rheinland-Pfalz-Tag vom 20. bis 22. Mai in der Bauhofstraße 9 in Mainz. Vertreterinnen der Heinzelmännchen werden am 21. Mai mit uns vor Ort sein!