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Projekt des Monats August: „Zuhause im Stadtteil“ Rheinböllen

Seit vier Jahren etabliert sich in der kleinen Stadt Rheinböllen der Quartierstreff bzw. das Stadtteilbüro „Zuhause im Stadtteil“. Nach den Coronabeschränkungen will man nun neu durchstarten.

Gut 4000 Einwohner zählt die Stadt im südöstlichen Hunsrück nahe am Mittelrhein. Das Quartier ist eigentlich die ganze Stadt. Und so steht auch das Stadtteilbür allen Interessierten offen. Neben rund 30 Ehrenamtlichen engagiert sich dort Nadja Hoffmann als hauptamtliche Stadtteilkoordinatorin mit einer halben Stelle hauptamtlich. Die 41-jährige Sozialarbeiterin arbeitet seit Mitte 2019 für den Treff und wurde schon bald durch die Pandemie in ihrer Arbeit ausgebremst. So langsam nimmt das Projekt aber wieder an Fahrt auf und hat mit einer Woche der Begegnung zunächst mit dem begonnen, was die meisten in den letzten eineinhalb von der Pandemie geprägten Jahren vermisst haben: Das gesellige Beisammensein – wie sie im folgenden Interview unter anderem berichtet.

Portraitbild Nadja Hoffmann Nadja Hoffmann (Foto: privat)

Frau Hoffmann, gerade erst im Juli haben Sie eine Woche der Begegnung abgehalten. Was hat es damit auf sich?

Hoffmann: Wir haben die Gelegenheit genutzt aufgrund der aktuell niedrigen Corona-Fallzahlen, eine „Woche der Begegnung“ stattfinden zu lassen und dabei unsere Begegnungsstätte Puricelli im Stadtteilbüro Rheinböllen offiziell eröffnet. Der Umzug war zwar schon im ersten Quartal 2021, aber aufgrund der coronabedingten Einschränkungen konnten wir bisher dort ja nur Einzelangebote ermöglichen.

„Reger Austausch, nette Gespräche, herzliches Lachen – das alles hat gefehlt!“

Was haben Sie denn angeboten in dieser Woche und wie war die Resonanz?

Hoffmann: Gestartet sind wir am Mittwoch den 14. Juli. Bei Kaffee und Kuchen hatten die Bürgerinnen und Bürger Gelegenheit, mich als Stadtteilkoordinatorin sowie die neuen Räumlichkeiten kennenzulernen und einen gemütlichen Nachmittag in der Begegnungsstätte zu verbringen. Neben der Bürgermeisterin sowie der Leiterin der Stadtteilkoordination war die Veranstaltung mit 15 Teilnehmenden sehr gut besucht!

Am nächsten Tag haben wir in einer Regenpause mit einer kleinen Gruppe einen gemeinsamen Spaziergang durch Rheinböllen unternommen, anschließend gab es Getränke im Stadtteilbüro. Freitags kamen etliche Bürgerinnen und Bürger zu einem gemeinsamen ausgiebigen Frühstück in unsere Begegnungsstätte mit vielen netten Unterhaltungen und Gesprächen, die viele vermisst haben. Gut genutzt wurde etwa auch am Ende der Begegnungswoche die Veranstaltung „Fit im Kopf“ mit unserer ehrenamtlichen Gedächtnistrainerin Christel Meng. Rätsel standen auf dem Programm genauso wie Gedächtnisübungen und Zungenbrecher, um das Gedächtnis mit viel Spaß wieder in Schwung zu bringen.

Ich habe mit Spannung auf diese Woche geblickt und mich sehr gefreut, dass nun auch wieder Veranstaltungen mit mehreren Menschen stattfinden dürfen. Auch die Teilnehmenden waren froh über die verschiedenen Angebote in der Woche, einige von ihnen waren gleich bei mehreren dabei. Reger Austausch, nette Gespräche, herzliches Lachen, Ideen für neue Angebote und trotz der Abstandsregelungen war Nähe möglich – das alles hat gefehlt!

Wie haben Sie bisher die Corona-Pandemie erlebt? Was hat sich verändert und wie konnten Sie auf die Situation vor Ort reagieren?

Hoffmann: Mit Beginn der Pandemie wurde unsere gesamte Arbeit von jetzt auf gleich zum Erliegen gebracht. Alle geplanten Veranstaltungen fielen ins Wasser. Stadtteilarbeit ist ja viel mit Beziehungsaufbau und -arbeit verbunden. Da ich die Stelle der Stadtteilkoordinatorin in Rheinböllen erst im Juli 2019 übernommen hatte, war ich inmitten dieses Beziehungsaufbaus – dem Kennenlernen der Strukturen, der Verantwortlichen und ihrer Aufgaben – als Corona alles lahm legte. Allerdings entstanden auch sofort Hilfsangebote mithilfe von ehrenamtlichen Bürgerinnen und Bürgern, einige boten Einkaufs-oder Fahrdienste an, andere nähten Behelfsmasken oder gingen einfach zu einem kurzen Plausch draußen am Fenster von Alleinstehenden vorbei. Die Hilfsbereitschaft war riesig und so entstanden auch neue Beziehungen von Helfenden und Hilfesuchenden vor Ort.

Haben Sie auch auf digitale Kommunikationswege gesetzt?

Hoffmann: Diese stecken noch in den Kinderschuhen; vor Beginn der Pandemie gab es ein Angebot „Fit am PC/Smartphone“. Das wurde zwar rege genutzt, war jedoch noch nicht langfristig etabliert. Das Angebot soll jedoch bald wieder stattfinden. Während des Lockdowns haben wir zum Beispiel aber auch die Pflegeberaterin des Pflegestützpunktes in Damscheid gewinnen können, um einen Online-Vortrag zum Thema „Leistungen der Pflegeversicherung“ anzubieten, den auch einige Menschen besucht haben.

Lebensraum für Menschen lebenswert gestalten

Sie sind eine noch recht junge Initiative. Was waren die Hintergründe zur Gründung von Zuhause im Stadtteil?

Hoffmann: Die Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz haben 2013 begonnen, neben ihren bisherigen Angeboten in der Eingliederungs- bzw. Altenhilfe, Quartiersprojekte auf den Weg zu bringen. Damit Menschen in ihrem gewohnten Lebensumfeld alt werden können, braucht es ja auch eine Infrastruktur, die dies unterstützt, und jede Menge Vernetzung in dem Ort, der Gemeinde, dem Stadtteil, in dem die Bürgerinnen und Bürger leben. Unser Anliegen war und ist es mit der Kommune einen Weg zu finden, den Lebensraum für Menschen – und hier sind im Grunde alle Altersklassen gemeint – lebenswert zu gestalten. Dem Ehrenamt kommt hierbei eine wichtige Rolle zu. Für die Vernetzung, die Arbeit mit den Menschen vor Ort und die Begleitung der Ehrenamtlichen braucht es aus unserer Sicht einen „Kümmerer“, bei uns übernimmt dies die Stadtteilkoordination.

Wie bekannt sind Sie in Rheinböllen? Und wen erreichen Sie mit „Zuhause im Stadtteil“ und wen bisher noch nicht?

Hoffmann: Bisher erreichen wir rund 80 bis 100 Personen. Gerade in diesem Jahr habe ich durch die unzähligen Anrufe von ganz unterschiedlichen Menschen jeden Alters, unterschiedlicher Herkunft und mit ganz verschiedenen Anliegen verstärkt merken können, dass unsere Angebote rund um die Stadtteilkoordination bekannt sind und auch genutzt werden.

Bisher sind die meisten, die unsere Angebote wahrnehmen, jedoch weiblich und ungefähr zwischen 70 und 90 Jahre alt. Unsere ehrenamtlich Engagierten sind dagegen etwas jünger, mit circa 30 bis 80 Jahren. Bei uns ist jede und jeder herzlich willkommen, wir freuen uns über alle neuen Interessierten. Ich plane aber auch zukünftig ein Angebot zu initiieren, das gezielter unsere männlichen Mitbürger anspricht.

Da die Nutzerinnen und Nutzer Ihres Angebots zur 70+-Gruppe gehören: Gibt es bereits Berührungspunkte zu Personen mit Hilfe- bzw. Pflegebedarf – etwa auch demenziell Erkrankten und ihre Angehörigen?

Hoffmann: Ja, demenzielle Veränderungen und steigender Pflegebedarf spielen auch bei uns eine Rolle. Hier unterstützen uns etwa die „Häddscheller“ – eine Ehrenamtsbörse in Rheinböllen – durch individuelle Angebote für einzelne Personen oder gemeinsame Veranstaltungen. Ganz neu bieten wir einen monatlich stattfindenden Gesprächskreis für sorgende Angehörige an. In Kooperation mit der Tagespflege Ochs startete letztes Jahr ein gemeinsamer Mittagstisch in den Räumlichkeiten des Puricelli-Stifts, der einmal im Monat stattfindet, derzeit aber noch pandemiebedingt pausiert. Zudem sind wir, die Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz, Mitglied im 2021 neu gegründeten Netzwerk Demenz im Rhein-Hunsrück-Kreis und ich engagiere mich dabei aktiv als Vertreterin vor Ort.

Gut eingebunden und immer offen für neue Impulse und Ideen

Wie gut sind Sie eingebunden in Ihrer Stadt und der Verbandsgemeinde, fühlen Sie sich ausreichend unterstützt?

Hoffmann: Absolut! In Rheinböllen fühle ich mich sehr gut eingebunden, sei es durch den enormen Rückhalt der Stadt und der guten Zusammenarbeit mit der Bürgermeisterin Bernadette Jourdant, aber auch durch die regelmäßigen Treffen und das Abstimmen innerhalb der Steuerungsgruppe der Stadt, in welcher sich viele Organisationen und Initiativen einbringen.

Was gehört zu Ihren erfolgreichsten Angeboten bisher?

Hoffmann: Ganz allgemein werden gesellige, gemeinschaftliche Veranstaltungen besonders gut angenommen. Beispielsweise ein gemeinsames Frühstück, bei dem in Kooperation mi der AOK auch über das Thema Ernährung informiert wird. Gut besucht waren auch der „Film-Abend“ oder die gemeinsamen Spaziergänge im Tierpark Rheinböllen mit anschließender Einkehr im parkeigenen Restaurant.

Welche Ideen oder Konzepte haben Sie, die Sie in der näheren Zukunft angehen möchten? Möchten Sie Neues ausprobieren?

Hoffmann: Zurzeit ist der Gesprächskreis für sorgende Angehörige angelaufen, den ich gerne weiter etablieren und ausbauen möchte. Des Weiteren wollen wir wieder vermehrt gemeinsame Angebote wie zum Beispiel Gesprächsrunden durchführen. In Kooperation mit dem Puricelli Stift, der stationären Einrichtung vor Ort, soll eine Herzenssprechstunde angeboten werden. Wir sind immer offen für neue Impulse und Ideen und können über die Neuen Nachbarschaften hier auch viele Ideen generieren. Da unser Projekt nur bis Ende des Jahres sicher finanziert ist, erschwert es leider auch etwas die Planung.

Was ist Ihr größter Wunsch für die Zukunft?

Hoffmann: Leider sind viele der Stadtteil- und Quartiersprojekte nur temporär finanziert, was ich sehr schade finde. Zurzeit werden wir durch die Stadt Rheinböllen, die Franziskanerbrüder vom Heiligen Kreuz und die Staatskanzlei Mainz finanziert. Ich würde mir flächendeckend solche Angebote wünschen, welche dauerhaft finanziert werden und hoffe, dass dies auch für unser Projekt „Zuhause im Stadtteil“ so passiert!

Vielen Dank für das Gespräch Frau Hoffmann.

Weitere Informationen über "Zuhause im Stadtteil" finden Sie auf der Webseite des Projektes oder in der Projektdarstellung auf der Webseite der Landesinitiative.