Was tun mit diesem besonderen Ort? Diese Frage stellte sich Dr. Anette Barth (58) vor 20 Jahren als die familiengeführte Glockengießerei in Saarburg keine Nachfolger mehr hatte und den Betrieb einstellte. Als Kunsthistorikerin und Leiterin der Volkshochschule Saarburg wollte sie Kultur mit Bildung verbinden, ohne das Soziale aus dem Blick zu verlieren. Heraus kam ein Konzept für ein Soziokulturelles Zentrum: die KulturGießerei, die 2008 ihre Arbeit aufgenommen hat. Heute engagieren sich dort rund 180 haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter:innen in einer Vielzahl von intergenerationellen Projekten, von denen nicht nur die direkte Nachbarschaft, sondern die ganze Stadt und die Verbandsgemeinde (7500 bzw. 33.000 Einwohner:innen) profitieren. „Vernetzung ist die Basis unserer Arbeit“, sagt Anette Barth, die zunächst ehrenamtlich über zehn Jahre am Aufbau der KulturGießerei arbeitete, bevor sie 2014 die Geschäftsführung übernommen hat. Im Folgenden berichtet sie über diesen langen Weg, ihre Netzwerkarbeit, die Herausforderungen sowie über die vielen gelungenen Projekte und Initiativen, die aus der KulturGießerei erwachsen sind.
Anette Barth (Foto: Dirk Tenbrock)
Frau Dr. Barth, die ehemalige Glockengießerei hat eine interessante Geschichte und Bedeutung für die Stadt aber auch die Nachbarschaft, können Sie diese kurz vorstellen?
Barth: Die Glockengießerei Mabilon war von 1770 bis 2002 in Familienbesitz und entstand außerhalb der Stadtmauer gelegen im Staden, der Unterstadt von Saarburg direkt am Flussufer der Saar gelegen. Neben den ersten Fischer- und Schifferfamilien prägten die verschiedenen Generationen von Glockengießerfamilien sowohl das Bild als auch das soziale Miteinander. Besonders in Krisenzeiten, wie Kriegswirren oder auch die vielen Hochwasser an der Saar entwickelte sich eine starke Gemeinschaft im Staden, die Menschen halfen sich gegenseitig. Sowohl in der näheren als auch der weiter entfernten Nachbarschaft, in der gesamten Stadt und Region entstand so eine sehr hohe Identifikation mit der Glockengießerei Mabilon und dem kulturhistorischen Kleinod in der Altstadt der Stadt Saarburg, unterhalb der Saarburg gelegen. Mit der Aufgabe der Glockenproduktion im Jahre 2002 kam die Frage nach der weiteren Nutzung des denkmalgeschützten Gebäudes auf.
Ankerpunkt für die direkte Nachbarschaft und Anziehungspunkt für Gäste aus Nah und Fern
… woraus sich dann die heutige KulturGießerei Saarburg, unter anderem mit einem Mehrgenerationenhaus und Museum, entwickelt hat. Sie bezeichnen das gesamte Ensemble ja auch als Soziokulturelles Zentrum. Wie kam es dazu und welche Rolle spielt bei Ihnen die Kultur gerade in Bezug auf die Nachbarschaft?
Barth: Ja, 2002 stellte ich mir als Kunsthistorikerin die Frage, wie es gelingen kann, Wissen und Tradition dieses uralten Handwerks einerseits zu erhalten und es andererseits einer nachhaltigen, zukunftsfähigen Nutzung zu zuführen. Durch die hohe Akzeptanz des Familienunternehmens und der Mabilon-Glocken in der Bevölkerung, der kommunalen Familie und Unternehmen gelang es mir mit vielerlei Unterstützung, auch vom Land, das etwa 70 Prozent der Kosten für Ankauf und Neubau übernommen hat, schließlich die Idee eines Soziokulturellen Konzeptes in die Tat umzusetzen. Aus der Glockengießerei wurde die KulturGießerei mit dem Herzstück, dem Museum Glockengießerei Mabilon. Somit waren dann auch die Handlungsschwerpunkte Kultur, Tourismus, Bildung und Soziales geboren. Gerade das Museum, das auch als Veranstaltungsstätte für kulturelle oder soziale Veranstaltungen dient, ist ein ganz wichtiger Ankerpunkt für die direkte Nachbarschaft im Staden und zieht darüber hinaus Gäste aus Nah und Fern an. Alle Genres der Kultur werden hier geboten, wie z. B. Musik- oder Theaterveranstaltungen. Aber auch soziale Veranstaltungen nutzen das wundervolle Ambiente der Gießhalle und der anderen Werkstätten wie etwa die Aktionswoche für Menschen mit und ohne Behinderung oder interkulturelle Begegnungsfeste. Um diese Bedeutung hervorzuheben, findet das Jahresprogramm 2022 der KulturGießerei unter dem Motto „Vor der Tür: Kultur im Staden“ statt.
Klare Vereinsstrukturen und ausgeprägte Netzwerkarbeit – die Basis für den Erfolg
Die Reichweite Ihrer Einrichtung umfasst ja einen großen Radius. Wie können Sie so viele Menschen nicht nur erreichen, sondern auch passende Angebote vorhalten?
Barth: Zum einen liegt dies in unserer Organisation. Der Träger unseres Zentrums ist ein gemeinnütziger Verein, das Lokale Bündnis für Familie in der VG Saarburg-Kell e.V. Es wurde 2005 zunächst als lockeres Netzwerk mit knapp 40 Mitgliedern gegründet. Mit dem Ankauf, Neubau und Entwicklung des Zentrums in der ehemaligen Glockengießerei Mabilon und dem Zuschlag, dort ein Mehrgenerationenhaus als Begegnungsstätte entwickeln zu können, wurde aus dem Netzwerk 2008 ein gemeinnütziger Verein mit inzwischen rund 90 Mitgliedern. Dazu zählen sowohl Privatpersonen, Kommunen, soziale Einrichtungen und Verbände, kleine Unternehmen als auch Vereine. Mit dieser Vereinsgründung wurde somit auch die Rechtsgrundlage für weitere Aktivitäten, Einrichtungen und Projekte des Vereins in seinem Zuhause, der KulturGießerei, gelegt.
DIE entscheidende Grundlage für alle Aktivitäten ist jedoch die Netzwerkarbeit. Von Beginn an wurde darauf sehr viel Wert gelegt, um Doppelstrukturen abzubauen bzw. zu vermeiden, aber auch um Konkurrenzsituationen im Sozialraum zu vermeiden. Bedarfe werden in den verschiedenen Vereinsebenen evaluiert, so sind neben den Vereinsstrukturen und Einrichtungen auch Arbeitskreise aktiv, wie z. B. der Arbeitskreis Kinder, Jugend und Familie. Nur in dem Falle, dass kein Träger im Netzwerk einen Bedarf decken kann, wird das Bündnis selbst aktiv und schafft entsprechende Angebote. Gute Beispiele sind hier etwa die Krisensituationen der letzten Jahre. So wurde die KulturGießerei mit all ihren Möglichkeiten sowohl in der Flüchtlings- als auch in der Coronakrise sehr schnell ein verlässlicher Partner für die Kommune und die Menschen in der nahen und weiteren Nachbarschaft.
Das Verhältnis zu allen Kommunen – Ortsgemeinden, Stadt, Verbandsgemeinde, Kreis – ist sehr gut. Ihre Vertreter sind in vielen Bereichen involviert. Lange Zeit war der Bürgermeister der Verbandsgemeinde Saarburg-Kell der Vorsitzende des Vereins. Aus Zeitgründen wurde inzwischen der hauptamtliche Beigeordnete in diese Position gewählt. Diese gute Zusammenarbeit ist von großer Bedeutung für alle Aktivitäten unseres Vereins und wirkt sich in den großen Sozialraum der Verbandsgemeinde ebenso aus wie auch in den Landkreis besonders in Hinblick auf die Daseinsvorsorge als Aufgabe der Kommunen.
Intergenerationelle Angebote: „Familien in all ihren Facetten von Anfang an, an unsere Angebote und unsere Einrichtung binden“
… und welche Rolle spielen Ihre Mitarbeitenden dabei?
Barth: Sowohl die ehrenamtliche Vereinsstruktur mit einer hohen Anzahl von ehrenamtlich Aktiven – wir haben ca. 120 regelmäßig ehrenamtlich Aktive in den Einrichtungen und Projekten – als auch 65 Mitarbeiter:innen in den verschiedenen Einrichtungen des Vereins lassen die Bedeutung des Vereins mit seinen Engagierten für die Nachbarschaften im nahen und weiteren Umfeld erahnen. Mit unserer Vielfalt an Aktivitäten sind wir in vielen gesellschaftlichen Fragestellungen aktiv, handeln unbürokratisch und proaktiv. Ein wichtiges Beispiel ist die Entwicklung der außerschulischen Betreuung an den Grundschulen in der Verbandsgemeinde Saarburg-Kell. Rund 45 Mitarbeiter:innen sind hier für knapp 400 Kinder im Alter von 6 bis 10 Jahren täglich im Einsatz. Diese Aufgabe ist gerade auch in den Jahren der Pandemie zu einer Mammutaufgabe geworden. Der Anspruch der Verantwortlichen, ein verlässlicher Partner für Familie und Kommune zu sein, wird täglich aufs Neue gefordert. In einer 170 Stunden umfassenden Qualifizierungsmaßnahme und weiteren Fortbildungen werden die Betreuer:innen qualifiziert und ständig weiter gebildet. Das Engagement aller Mitarbeitenden für das Wohl der Kinder ist sehr hoch!
Viele Nachbarschaftsinitiativen und Projekte berichten uns davon, wie schwierig der Zugang zu jüngeren Generationen und Familien ist. Allein durch das Engagement in den Grundschulen und als Mehrgenerationenhaus scheinen Sie hier ja bestens vernetzt zu sein? Wie sieht es mit den Angeboten für Ältere aus und deren Engagement in ihrer Einrichtung?
Barth: Das Entscheidende an unserer Struktur ist wie gesagt die Netzwerkarbeit. Als Lokales Bündnis für Familie spielt aber auch die Tatsache eine Rolle, dass wir mit diesem Fokus sehr breit aufgestellt sind. Alle Mitglieder einer Familie, und wir verfolgen auch hier die vielfältige Aufstellung von Familie, alle Generationen werden dadurch von uns als Zielgruppen betrachtet. Um dies erreichen zu können, haben wir Einrichtungen ins Leben gerufen, die entweder eigene Zielgruppen ansprechen, wie z.B. die Kinder- und Jugendkunstschule, die Ferienbetreuung oder die Koordinierungs- und Fachstellen Demokratie leben! und Integration. Oder es sind Zielgruppen übergreifende Einrichtungen wie das MGH, das Haus der Familie oder die Ehrenamtsbörse entstanden. Dadurch kommt es automatisch zu ganz natürlichen Begegnungen und Vernetzungsmöglichkeiten. So sind z. B. die Digitalbotschafter des MGH, in der Regel jüngere Menschen für und mit den älteren Menschen in Beratungsstunden oder Treffs aktiv. Intergenerationell arbeiten vor allem das MGH und die Ehrenamtsbörse, aber auch in allen anderen Einrichtungen wird dies soweit wie möglich einbezogen. So unterstützen z. B. ältere Menschen die Dozent:innen der Kinder- und Jugendkunstschule ehrenamtlich bei der Betreuung der Kinder in den Kursen. Es gibt aber auch spezielle Angebote nur für und/oder mit Älteren. Etwa Wanderungen für Ältere, Cafè-Treffs für Ältere oder Begleitdienste, damit ältere Menschen möglichst lange zuhause wohnen bleiben können.
Der Fokus ihrer intergenerationellen Arbeit liegt aber eher auf den Jungen und den Familien?
Barth: Nun, besonders durch die Ferienangebote wie die Kinder- und Jugendkunstschule oder den Ferienspaß erreichen wir Familien und Kinder von 6 bis 12 Jahren sehr gut. Die Jugendlichen sind weniger unser Fokus, da hier das Jugendzentrum aktiv ist. In gemeinsamen Angeboten wie einem Graffiti-Kurs zum Weltkindertag und den Kinderrechten gelingt uns dies dann gemeinsam mit dem Jugendzentrum. Uns ist es wichtig Familien von Anfang an zu erreichen. Ein sehr wichtiges neues Angebot ist daher unser Eltern-Kind-Zentrum, das seit September letzten Jahres dezentral in eigenen Räumlichkeiten in der Stadt Saarburg aktiv ist. Hier haben wir die Bedarfslücke für werdende Eltern und junge Familien schließen können und somit neben unseren Angeboten für Kinder im Alter von 0 bis 6 Jahren im Haus der Familie nun ein sehr wichtiges, weiteres Angebot entwickelt. Durch solche Aktivitäten ist es dann auch gut möglich, die Kinder, Jugendlichen und Familien in all ihren Facetten von Anfang an, an unsere Angebote und unsere Einrichtung zu binden – letztendlich dann natürlich auch die Großeltern.
Interkulturelle Angebote: „Wichtige Arbeit, doch viel zu wenig finanziell unterstützt“
Ein weiteres Standbein Ihrer Arbeit sind interkulturelle Angebote. Wie sind Sie hier aufgestellt?
Barth: Mit dem Beginn der Flüchtlingskrise 2014/2015 setzte auch unser Verein sein Engagement in Bezug auf die Integration zugewanderten Menschen, der bis dahin überwiegend mit Menschen aus Vietnam und Russland gearbeitet hatte, in ganz anderer Weise fort als noch wenige Monate oder Jahre zuvor. Die flexiblen Vereinsstrukturen und das große Engagement der Mitglieder und Mitarbeitenden wurde zu einer Stütze für die Kommunen und vor allem die Betroffenen. Ein großer Schwerpunkt lag und liegt bis heute in der Koordination des ehrenamtlichen Engagements der Einheimischen in der Flüchtlingshilfe für Zugewanderte. Hinzu gekommen ist dann mehr und mehr die Verschiebung aus einer akuten Krisensituation in eine dauerhafte Integrationsarbeit. In der Netzwerkarbeit mit anderen Trägern und Kommunen, wie der Kreisverwaltung Trier-Saarburg sind z. B. vier Ehrenamtskoordinatoren in den einzelnen Verbandsgemeinden aktiv. Darüber hinaus auch mit den jeweiligen Strukturen vor Ort, wie z. B. den Migrationsbeiräten, der Caritas, der Diakonie oder den Kirchen. Da die Menschen jedoch auch oft sehr viel direkte Unterstützung vor Ort brauchen, z. B. bei der Anmeldung der Kinder in Kita oder Schule, bei schulischen oder gesundheitlichen Problemen, am Arbeitsplatz oder aber auch in Bezug auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beschäftigt unser Verein darüber hinaus einen Integrationslotsen. Diese beiden sind ein gutes Tandem und die Arbeit damit sehr effektiv. Definitiv von Vorteil sind dabei die unterschiedlichen kulturellen Identitäten und Sprachkenntnisse beider Mitarbeitenden, denn so ist der Zugang zu den einzelnen Communities deutlich besser und ermöglicht es uns, eine gut Integrationsarbeit zu leisten. Bedauerlich ist an dieser Stelle jedoch zu sagen, dass es für diese so wichtige Arbeit viel zu wenig finanzielle Unterstützung für Aktive gibt. Aus unserer Sicht wird nicht genug für die Integration der zugewanderten Menschen getan, z. B. bezüglich der Sprachkompetenz. Dies kann langfristig durchaus negative Folgen haben.
Herausfordernd: Pandemie und Finanzierung
Nun sind Sie ja ein im Vergleich zu vielen anderen Projekten der Landesinitiative ein recht große Einrichtung mit Verein, Einrichtungen, Personal und dementsprechend großem Netzwerk. Ist dies alles nur von Vorteil oder ergeben sich hier besondere Herausforderungen, die Sie zu meistern haben?
Barth: Nun aus dem lockeren Netzwerkgedanken als Lokales Bündnis für Familie 2005 entstand 2008 ein gemeinnütziger Verein, hauptsächlich, um eine professionelle und rechtsfähige Struktur für unsere Vorhaben aufzubauen, wie etwas das Mehrgenerationenhaus oder die vielen anderen Projekte, die entsprechende Strukturen erfordern. Rund 90 Mitglieder und ein zehnköpfiger Gesamtvorstand inklusive eines vierköpfigen geschäftsführenden Vorstandes, mit mir als hauptamtliche Geschäftsführerin, leiten heute die Geschicke unseres Vereins. Die Struktur ist klar geregelt, rund 64 Mitarbeitende sind in den verschiedenen Einrichtungen und Aktivitäten beschäftigt, die meisten davon in der außerschulischen Betreuung. Aus meiner Sicht birgt diese Aufgabe natürlich viele Herausforderungen, gerade in den beiden letzten Pandemie-Jahren. Sie ist aber auch sehr bereichernd und die Zufriedenheit und das Miteinander, die Wertschätzung der Nutzer:innen gibt auch sehr viel positive Energie zurück. Und diese positive Atmosphäre, das Engagement der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen ist etwas, was die Menschen spüren und wertschätzen. Herausfordernd ist vor allem die Arbeit für alle, sobald Personal ausfällt, da wir das nicht sofort kompensieren können. Dies ist gerade in der aktuellen Phase sehr schwierig. Eine klare Organisationsstruktur mit Organigramm und klaren Zuständigkeiten ist hier ebenso wichtig, wie Zuverlässigkeit auch in der Vorstandsebene und in der Kommunikation mit den Kommunen und anderen Partnern. Die komplexe und oft herausfordernde Mischfinanzierung aus öffentlichen Geldern, Spenden, Sponsoring und Eigenmitteln birgt einige Herausforderungen. Hier sprechen wir auch aktuell immer stärker vom Changemanagement, da ich selbst gerne einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin rechtzeitig in diese komplexen Strukturen einarbeiten möchte.
Innovativ, flexibel und digital aufgeschlossen
Stichwort „Corona-Pandemie“. Wie ist die KulturGießerei bisher durch diese gekommen? Welche Vor- und womöglich auch Nachteile haben sich durch ihre besondere Struktur ergeben? Und wie hilfreich waren digitale Angebote?
Barth: Die KulturGießerei konnte in den letzten beiden Pandemie-Jahren im Grunde nur durch ihre breite Aufstellung und Struktur halbwegs gut durch die Krise kommen. Die inhaltlichen Schwerpunkte Bildung und Soziales haben die besonders betroffenen Schwerpunkte Kultur und Tourismus mit aufgefangen. Wir haben mehr und intensiver denn je in diesen Monaten, auch wenn wir während der verschiedenen Lockdownphasen schließen mussten, gearbeitet. Die Mitarbeitenden in der KulturGießerei haben sich neue, innovative und kreative Ideen einfallen lassen. Sie haben Alltagshilfe organisiert, koordiniert oder neu aufgebaut. Mit den ehrenamtlichen Digitalbotschafter:innen begleiten wir bis heute intensiv die ältere Generation im Umgang mit den neuen Medien etc. Digitale Angebot sind aus unserer Sicht aber immer nur Ersatzlösungen im direkten Kontakt mit unseren Zielgruppen. In erster Linie geht es doch um die zwischenmenschlichen Begegnungen! Im Sinne einer Digitalisierung unserer Abläufe, Kommunikation und Organisation haben wir durch und während der Pandemie sehr viel umgesetzt und verändert, z. B. durch den Einsatz von Zoom für Konferenzen, Dienstbesprechungen und Mitgliederversammlungen oder Slack für die Kommunikation innerhalb von Projekten, Padlet und Miro zur Strukturierung von Prozessen und Evernote als Intranet für die KulturGießerei.
Aus unserer Sicht ist die breite Struktur ein Segen in dieser schwierigen Zeit. Allerdings sind wir seit zwei Jahren nicht mehr in der Lage unsere Eigenmittel zu erwirtschaften, die vor allem im Museum und dem Café Urban durch Führungen, Eintritte, Kulturveranstaltungen, Märkten etc. bis 2019 sehr gut möglich waren. Durch diesen Einbruch entstanden Defizite, die wir mit dem Jahr 2021 nur durch unsere Rücklagen ausgleichen konnten. Diese sind nun im Jahre 2022 jedoch aufgebraucht, was den Verantwortlichen nun durchaus Sorgen bereitet. In der Struktur sehen wir nur Vorteile, denn z.B. auch durch unsere sehr wichtigen Aufgaben, die wir für die Kommune erbringen (u. a. die außerschulische Betreuung an Grundschulen) sind wir ein verlässlicher Partner, den die Kommune unterstützen möchte.
Barth: Wenn Sie Ihre Angebotspalette betrachten, wie zufrieden sind Sie damit und was könnte noch besser laufen?
Barth: Im Großen und Ganzen bin ich mit unserer Angebotspalette zufrieden. Durch unsere Angebotsvielfalt kommt es zu natürlichen Begegnungen aller Generationen und auch Kulturen, was uns ein ebenso wichtiges Ziel ist. Diversität spielt für uns in jeder Hinsicht eine sehr große Rolle. Darüber hinaus schaffen wir immer wieder Begegnungen z. B. durch den Einsatz von Ehrenamtlichen – meist Ältere – in den Angeboten für Kinder wie z. B. in der Kinder- und Jugendkunstschule oder im Haus der Familie. Auch bieten wir immer wieder jungen Menschen Freiwilligendienste an und fördern damit auch den Austausch zwischen den Generationen.
Ein sehr wichtiges Angebot aus unserer Sicht ist die Grundbildung. Da diese jedoch ein sehr sensibler Bereich ist, ist es sehr schwer an die Zielgruppe zu kommen, besonders jetzt auch wegen der Pandemie. Es sind kaum öffentliche Veranstaltungen möglich, um für diese Zielgruppe zu informieren oder sie zu erreichen. Darüber hinaus würde ich mir auch mehr Unterstützung für Integrationsprojekte und auch mehr proaktives Engagement in diesem Bereich wünschen.
Im Fokus: Die Nachbarschaft „Vor der Tür“
Gibt es ein spannendes aktuelles Projekt, an dem Sie gerade arbeiten?
Barth: Ein wichtiges spannendes Projekt, das wir 2021 gestartet haben und 2022 fortsetzen werden, ist die Nachbarschaftsinitiative Staden (NIST), des Stadtteils in dem unsere KulturGießerei liegt und dessen Geschichte und Bedeutung für die Stadt in Zusammenhang mit der Glockengießerfamilie ich ja schon zu Beginn beschrieben habe. Doch die vergangenen Jahrzehnte haben das Bild des Stadens, also unsere direkte Nachbarschaft sehr verändert. Die alten Familien sind nicht mehr da, verstorben oder weggezogen. Menschen verschiedener Herkünfte sind in den denkmalgeschützten Bereich gezogen. Weniger sozial gut abgesicherte Personen haben günstigen Wohnraum dort gefunden. Alles in allem spiegelt sich im Staden die Vielfalt unserer Gesellschaft wider, die Identifikation mit diesem Teil der Stadt Saarburg ist jedoch verloren gegangen und daran möchten wir mit NIST gemeinsam mit den Nachbarn arbeiten und auch das soziale Klima im Blick halten. Ein Ausdruck dieser Ziele ist auch unter diesjähriges Programm, das unter dem Motto „Vor der Tür“ steht. Wir schauen also erst einmal vor unserer eigenen Tür, was zu tun ist, aber auch auf das positive, was wir vor unserer Tür erleben. So haben wir etwa als erstes sichtbares Zeichen 2021 wieder einen Weihnachtsbaum auf unserem kleinen Platz im Staden aufgestellt, so wie dies früher auch die Glockengießerfamilie immer unterstützt hat, sozusagen als Zeichen „Da passiert wieder was!“. Ende März wollen wir dann alle Bewohner:innen unseres Viertels zu einem Austausch einladen, um herauszufinden, was sie sich für ihre Nachbarschaft wünschen. Unserem Motto folgend werden dann im Laufe des Jahres sowohl Vorträge als auch Kulturveranstaltungen oder Fortbildungsveranstaltungen für unsere Mitarbeiter:innen stattfinden.
Changemanagement – Wichtig für den Fortbestand
Was sind Ihre mittel- und langfristigen Pläne für und mit der KulturGießerei?
Barth: Im Grunde möchte ich den Weg, den wir 2008 begonnen haben, fortsetzen. Es hat durchaus bis ca. 2017 gedauert, bis sich die Erfolge unserer Arbeit in unserem soziokulturellen Zentrum auch für andere sichtbar eingestellt haben. Inzwischen genießen wir auch über regionale Grenzen hinaus Anerkennung für unsere Arbeit. Mit einem sehr erfolgreichen Jahr 2019 hatten wir voller Zuversicht und Mut in die Zukunft geblickt, die dann jedoch ab März von der Pandemie sehr heftig ausgebremst wurden. Seit zwei Jahren und wohl auch 2022 sind wir im Krisenmodus und haben alle Hände voll zu tun, die KulturGießerei mit all ihrer Vielfalt vor allem für die Menschen zu erhalten. Wenn soziokulturelle Zentren eingehen, hat das mit Sicherheit ganz viele Nachteile im sozialen Gleichgewicht und Gefüge einer Nachbarschaft. Unser kurz- und mittelfristiges Ziel ist es also, für den Erhalt unseres Vereins und seines Zuhauses, der KulturGießerei, zu sorgen. Neben den bereits genannten Herausforderungen sind auch umfangreiche Sanierungen in dem alten Gebäudekomplex der KulturGießerei notwendig, die vor allem den Haushalt der Stadt Saarburg belasten werden. Auch das stellt eine große finanzielle aber auch logistische langfristige Herausforderung für uns alle dar, die gemeistert werden muss, um unsere Arbeit für die Menschen zu erhalten.
Eine ganz wichtige Aufgabe wird auch das Changemangement innerhalb unserer Vereins- und Mitarbeitendenstrukturen sein. Die Überführung unserer Strukturen in jüngere Hände ist aus meiner Sicht die Hauptaufgabe für die nächsten sechs Jahre. Sie betrifft vor allem die Vorstands- und Geschäftsebene, also zentrale Stellen, die für den Erhalt all dessen, was wir aufgebaut haben, zwingend notwendig ist.
Was gehört zu Ihren schönsten Erfahrungen Ihrer langjährigen Tätigkeit und was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Barth: Der Aufbau unseres soziokulturellen Zentrums in dem historischen Ambiente der ehemaligen Glockengießerei Mabilon bedeutet für mich ein Lebenswerk, das mich nicht nur über viele Jahre meines Lebens begleitet hat. Es ist im Grunde die Quintessenz der Themen, die mich als Menschen ausmachen, geprägt haben. Nach meinem Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und Ethnologie an der Universität Trier mit der abschließenden Promotion in Kunstgeschichte arbeitete ich viele Jahre lang als Leiterin einer Volkshochschule. Der Einblick in die vielfältigen Bereiche der Erwachsenenbildung hat mich stark geprägt und ich konnte neben fachlichen, sozialen und methodischen Kompetenzen vor allem auch meine Vorliebe für das Arbeiten in und mit Netzwerken und Teams entdecken. Die Bereiche Kultur, Tourismus, Bildung und Soziales bildeten in dieser Arbeit wichtige Säulen. Mit der Entwicklung eines soziokulturellen Zentrums mit Museum und Kulturveranstaltungen konnte ich diese Säulen zu einem Ganzen zusammenfügen. Der Erfolg und vor allem die Akzeptanz unseres Zentrums zählen für mich zu den schönsten und wertvollsten Erfahrungen. Trotz aller Herausforderungen, gerade auch der Jahre seit 2015, bereichert mich diese Arbeit immer noch jeden Tag aufs Neue.
Frau Barth, vielen Dank für das Gespräch.
Weitere Informationen auf der Webseite der KulturGießerei sowie auf der Webseite der Landesinitiative.