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Projekt des Monats Januar/Februar 2025: Ein Bürgerverein stärkt das Miteinander in St. Paul, einem jungen und noch wachsenden Ortsteil von Wittlich

Seit fast 15 Jahren engagieren sich Menschen in einem Bürgerverein, der sich gegründet hat, um die Nachbarschaften in einem neu entstehenden Ortsteil zu stärken und St. Paul zu beleben.

Knapp 20.000 Einwohner:innen leben in Wittlich, der Kreisstadt in der Eifel im Landkreises Bernkastel-Wittlich. Innerhalb des Stadtteils Wengerohr wurde das Kloster St. Paul zur Keimzelle für ein neues Baugebiet. Demnach gibt es in St. Paul auch keinerlei gewachsene Ortsstrukturen. Seit zehn Jahren lebt dort auch schon die 72-jährige Roswitha Herres, die aus Thüringen stammt. Sie floh 1958 mit der Familie aus der DDR und strandetet zuächst in Wittlich-Neuerburg, wo die Familie eine Gaststätte mit Landwirtschaft betrieben hat. Seitdem die ehemalige Lehrerin nach St. Paul zog, engagiert sie sich in dem Bürgerverein (Miteinander in St. Paul Bürgerverein e.V.), dessen Vorsitzende sie seit Anfang 2016 ist. Über Hintergründe, Aufgaben und Herausforderungen berichtet die „Kümmererin“ und gut vernetzte Organisatorin des Bürgervereins im Interview.

Bild mit älterer Frau mit Brille, buntem Schal, lachend

Roswitha Herres (Foto: privat)

Frau Herres, Ihr Bürgerverein Miteinander in St. Paul engagiert sich in einem noch recht jungen Stadtteil von Wittlich. Wie sind beide entstanden?

Herres: St. Paul war ein Klosteranwesen der Steyler Missionare, das von diesen in den 2000er-Jahren aufgegeben wurde. Auf dem großen Gelände mit unterschiedlicher Bausubstanz, Feldern und Wiesen ist mit wechselnden Besitzern und Investoren und damit verbundenen Veränderungen ein bis heute sich noch entwickelnder Stadtteil, zugehörig zum Stadtteil Wengerohr entstanden, welcher wiederum zur Stadt Wittlich gehört.

Der Bürgerverein hat sich 2011 gegründet und begleitet seitdem die Menschen in St. Paul, in dem es keine gewachsenen dörflichen oder städtischen Strukturen gibt, wo aber mittlerweile 600 bis 700 Menschen leben.

Heterogene Bewohnerstruktur in einem dynamischen Stadtteil mit fehlenden Strukturen

Was bedeutet das und wie wirkt sich das auf die Vereinsarbeit aus?

Herres: In St. Paul sind über die Jahre verschiedene Wohnformen entstanden. Es gibt etwa eine Seniorenresidenz, Betreutes Wohnen, Mehrgenerationenwohnen, viele Ein- und Mehrfamilienhäuser. Die Bewohnerstruktur ist deshalb auch sehr unterschiedlich. So gibt es etwa viele junge Familien, die hierhin ziehen, zu denen wir aber nur wenig Kontakt haben, da die Eltern zumeist beide berufstätig sind und pendeln. Ihnen sind wir auch nicht so vertraut. Daneben existieren Wohnblöcke, in denen nur Amerikaner leben, die auf der in der Nähe befindlichen Airbase Spangdahlem arbeiten. In diesen Häusern sieht man zumeist aber nur geschlossene Rollläden, es ist alles duster und es entsteht auch gar kein Kontakt zu ihnen. 

Daneben ziehen dann aber auch wegen der altersgerechten Wohnungen viele Ältere aus dem näheren und weiteren Umkreis nach St. Paul, die neue Gemeinschaften suchen. Es gibt zudem die Heimbewohner aber z.B. auch eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe Haus Bergfried. Außerdem gibt es ein Mutter-Kind-Haus, in dem sehr junge Mütter mit ihren Babys für eine gewisse Zeit leben.

Sie sehen also, St. Paul ist ein noch junger, aber recht dynamischer Stadtteil mit sich ständig verändernden Situationen. Wir versuchen hier mit dem Verein Ansprechpartner für alle zu sein und eine Nachbarschaft aufzubauen oder zu stärken und Impulse zu geben, denn es gibt bei uns ja auch keine gewachsenen klassischen Treffpunkte wie Lokale oder Einkaufsmöglichkeiten. Auch die Gemeinschaftsflächen der Wohnhäuser werden z.B. sehr unterschiedlich genutzt, manche gestalten sie etwa mit Gemeinschaftsgärten. Einige Mehrfamilienhäuser verfügen aber auch über Gemeinschaftsräume.

Da dem Bürgerverein in den Häusern leider keine Räumlichkeit zur Verfügung gestellt wird, ist es für uns aber auch schwer vor Ort sichtbar zu sein. Es gibt zwar z.B. einen Infokasten in der Nähe des Tierarztes und wir verteilen Flyer in die Briefkästen, mit denen wir auf unsere Angebote aufmerksam machen, aber vieles läuft dann doch nur über direkte Kontakte, Telefonate oder diverse WhatsApp-Gruppen und die Printmedien. Und natürlich organisieren wir immer wieder Aktionen oder Feste, zu denen wir einladen und die auf uns aufmerksam machen. So hoffen wir, dass sich immer wieder neue Leute mit und bei uns für St. Paul engagieren.

Fehlender Vereinsraum und fehlender Nachwuchs für das Vereinsengagement

Wie viele Menschen engagieren sich denn im Bürgerverein und wie sehen Ihre Vereinsstrukturen aus?

Herres: Derzeit engagieren sich ca. 15 Frauen und 5 Männer aktiv im Bürgerverein. Bis auf sechs Personen sind alle älter als 60 Jahre, einer der jüngeren Mitglieder ist Medienfachmann und übernimmt zum Glück unsere Medienarbeit. Es kommen zwar immer wieder einmal neue Vereinsmitglieder hinzu, aber aus Altersgründen scheiden ebenfalls immer wieder welche aus. Der Vorstand besteht derzeit noch aus acht Personen, weil aber die Bereitschaft sich im Verein zu engagieren sinkt, haben wir für die nächste Vorstandswahl im Herbst die Satzung geändert, sodass mindestens nur noch drei Vorstände gewählt werden müssen. 

Da wir ja keinen festen Raum hier vor Ort haben, treffen wir uns mit dem Vorstand im Jugend-Bürgerhaus in Wengerohr. Auch Stammtische gibt es im Nachbarort. 

Einmal im Jahr, und das war gerade am letzten Wochenende, organisieren wir nur für unsere Vereinsmitglieder eine Weinprobe mit einem Winzer aus der Region und dazu gibt es Speckkuchen aus Enkirch.

Da sein für Vereinsmitglieder und Einbinden von allen Ortsteilbewohnerinnen und -bewohnern über Feste und Aktionen

Bieten Sie auch Unterstützung und Hilfeleistungen im Verein und in St. Paul an? 

Herres: Ja, das läuft im Verein sehr gut und es wird in der Regel untereinander in den verschiedenen Häusern direkt organisiert. Ob etwa Fahrten zum Arzt oder für den Einkauf oder kleinere Hilfen, da ist Vieles möglich. Nur Unterstützungen zur Pflege leisten wir nicht.

Wir bieten zudem aber auch für die Familien etwa Kinderbetreuungen an, wenn sie nötig sind. Einmal ist etwa ein junger Familienvater hier in St. Paul verstorbe. In der schweren Zeit haben wir dann seine Frau unterstützt und deren beiden Kinder betreut. Bekommen wir etwa mit, dass in St. Paul ein Baby geboren wurde, gibt es auch ein selbst gestricktes Mützchen und Schühchen als Geschenk. 

Wir haben zudem regelmäßigen Kontakt zur Jugendgruppe vor Ort und feste Zeiten in der Seniorenresidenz mit den 200 Bewohnerinnen und Bewohnern. 

Immer wieder werden wir aber auch von außen angefragt, ob wir Wohnungen in St. Paul vermitteln können. Neue Nachbarn, die nach St. Paul ziehen, begrüßen wir dann z.B. mit einer Willkommenspostkarte.

Außerdem organisieren wir auch regelmäßig Veranstaltungen oder Feste. So steht etwa im April unser Spielplatzfest an, zu dem Jung und Alt eingeladen sind, etwa auch die Bewohner der Seniorenresidenz. Im vergangenen Jahr kamen etwa 160 Leute und wir wurden dabei von vielen vor Ort unterstützt. Regelmäßig feiern wir Ende Mai auch den Nachbarschaftstag oder organisieren Grillfeste. Zudem gibt es Picknicks vor der Seniorenresidenz oder wir organisieren dort Treffen, um auf „Platt“ miteinander zu reden, was vor allen Dingen für die Demenzerkrankte sehr unterstützend wirkt.

Zum Jahresende gibt es die Aktion „St. Paul leuchtet“. Dann laden junge St. Pauler an den Adventssonntagen zu den beleuchteten Adventsfenstern ein. 

Eine weitere schöne Aktion unseres Vereins ist auch die Pflege der 170 Weinbergpfirsich-Bäume, die vor dem Kloster gepflanzt wurden, die wir regelmäßig beschneiden und von denen wir dann auch die Pfirsiche ernten.

Gut vernetzt und mit großem Herz für die Menschen

Gibt es ein Unterstützernetzwerk, auf das Sie bauen können?

Herres: Ich bin ja im Wittlicher Stadtteil Neuerburg aufgewachsen, wo meine Familie eine Gaststätte plus Landwirtschaft betrieben hat. Das heißt, ich bin hier in der Region verwurzelt und auch gut vernetzt. Vor allem aber habe ich auch ein gutes Verhältnis zu unserem Ortsvorsteher von Wengerohr, dem Stadtteil, zu dem ja auch St. Paul gehört. Mit ihm tausche ich mich regelmäßig aus. Am 15. März wird der Ortsbeirat von Wengerohr eine Radtour durch den Stadtteil machen, u.a. auch durch St. Paul. Dann sind die Bürgerinnen und Bürger eingeladen, ihnen Ihre Wünsche und Vorstellungen für den Ort zu äußern.

Zudem engagiere ich mich stark in der freien evangelischen Kirche in Wittlich-Wengerohr und habe auch dort ein gutes Netzwerk, auf das ich zurückgreifen kann.

Aber auch mit unserem Stadtbürgermeister bin ich vertraut sowie mit einigen Abteilungen der Verwaltung. 

Sie engagieren sich bereits seit zehn Jahren im Bürgerverein, was ist Ihre Motivation?

Herres: Menschen liegen mir am Herzen und ich habe schon immer sehr gerne mit ihnen zu tun. Wenn ich helfen oder unterstützen kann, dann mache ich das sehr gerne, gerade auch bei älteren Menschen, die häufig darauf angewiesen sind. 

Da ich alleinstehend bin und keine Kinder habe, habe ich auch nicht so viele Verpflichtungen und engagiere mich deshalb sehr gerne in St. Paul. Ich wohne ja auch erst seit 2015 hier, als ich in eine kleinere altersgerechte Wohnung gezogen bin – und seitdem bin ich eben auch für den Bürgerverein aktiv, will aber auch für alle Menschen in St. Paul da sein.

Was gehört zu den schönsten und einprägsamsten Erlebnissen, die Sie in dieser Zeit gemacht haben? 

Herres: Zweifellos sind dies die vielen Kontakte mit Menschen aber auch gelungene Aktionen und Events sind sehr bereichernd. Das Gefühl für den Menschen etwas getan und etwas erreicht zu haben, aber auch das Miteinander zu stärken und die sozialen Strukturen etwas voran gebracht zu haben, sind schöne Erlebnisse. In einfachen Worten zusammengefasst: Füreinander da sein. Und zudem bin ich sehr dankbar hier in St. Paul zu leben, in vielerlei Hinsicht.

Welche Herausforderungen sehen Sie für Ihren Verein?

Herres: Die größte Herausforderung ist zweifelsfrei die Überalterung unseres Vereins sowie unseres Vorstands. Es ist sehr schwierig, Aktive für die Vorstandsarbeit zu finden, ein Problem vieler heutiger Vereine. Daher ist es wichtig für die Zukunft, junge Menschen zu gewinnen und zu aktivieren. 

Vielen Dank Frau Herres für das Gespräch.

Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Vereins oder seiner Darstellung im Projektefinder der Webseite der Landesinitiative.