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Projekt des Monats Juli/August: In Otterstadt ist ein Netzwerk für Nachbarschaftshilfe aus der Bürgerschaft heraus entstanden

Zusammen mit einigen Mitstreitenden hat eine Gemeindeschwester plus die Initiative ergriffen, um die Büger:innen vor Ort jeden Alters zu unterstützen. Ihr Job ist dabei ein echter Türöffner.

Seit gut einem Jahr ist das Netzwerk Otterstadt in der gleichnamigen Ortsgemeinde, in der rund 3300 Menschen leben, am Start. Otterstadt im Rhein-Pfalz-Kreis ist Teil der Verbandsgemeinde Rheinauen, welche zwischen den Städten Ludwigshafen, Schifferstadt und Speyer liegt. Dort lebt Maren Schneider, die seit zwei Jahren in der Region als Gemeindeschwester plus tätig und Initiatorin des Netzwerkes Otterstadt ist. In ihren Beruf und in das Netzwerk bringt sie wertvolle Erfahrung aus ihrem beruflichen Werdegang mit – als examinierte Kinderkrankenschwester, die überwiegend in der Erwachsenenpflege gearbeitet hat, Fachwirtin im Sozial- und Gesundheitswesen sowie Pflegegutachterin beim MDK Rheinland-Pfalz. Wir haben die 49-Jährige u.a. gefragt, warum Sie die Initiative ergriffen und wie sich das Netzwerk und seine Struktur in der Zeit seit seiner Gründung entwickelt hat.

Maren Schneider

Maren Schneider (Foto: privat)

Frau Schneider, das Netzwerk Otterstadt ist noch eine recht junge Nachbarschaftsinitiative und auch erst seit Kurzem in unserem Netzwerk von Projekten der Landesinitiative zu finden. Wie ist die Idee zu ihrem Netzwerk entstanden?

Schneider: Nun, da kam eines zum anderen. Zunächst einmal bin ich ein Fan von nachbarschaftlicher Unterstützung. Außerdem wohne ich in Otterstadt und bin hier auch u.a. seit Juli 2023 als Gemeindeschwester plus tätig. Bei meiner Arbeit ist mir aufgefallen, dass es immer mehr Bedarf an kleinen Hilfen gibt. Oft ist dieser aber zu gering, sodass es sich für einen professionellen Dienst nicht lohnt, etwa nur einmal alle paar Wochen oder Monate tätig zu werden. Aber irgendwie brauchen die Leute ja trotzdem Hilfe. 

Ich habe bei meiner Arbeit Herrn Sans kennengelernt, der unseren Bürgerbus mit initiiert hat und dort auch aktiv ist, und hatte mit ihm Anfang 2024 ein Gespräch über die Situation vor Ort. Wir haben ein kleines Brainstorming gemacht und da kam uns die Idee zur Nachbarschaftshilfe in Otterstadt. Dann haben wir noch zwei weitere Personen angesprochen. So ist unsere Nachbarschaftshilfe dann im März 2024 an den Start gegangen.

Von Beginn an motivierte Engagierte, etwas Zurückhaltung bei den Hilfesuchenden, doch „es geht bergauf” 

…und das war doch ein guter Start, wenn ich mir die Anzahl ihrer jetzt Aktiven anschaue?

Schneider: Ja, wir haben derzeit rund 40 Aktive dabei. Zunächst hatten wir unsere Gründung und unserer Vorhaben im Amtsblatt angekündigt und einen Infoabend veranstaltet. Außerdem haben wir Flyer im Ort ausgelegt und ich verteile sie auch bei meinen Hausbesuchen. Das ist auf eine gute Resonanz gestoßen – zumindest bei denjenigen, die sich freiwillig engagieren wollten. Wo es aber noch ein wenig hakt, das ist bei der Nachfrage von den Hilfesuchenden. 

Woran liegt dies Ihrer Meinung nach?

Schneider: Wir hatten zunächst überlegt, regelmäßig ein Nachbarschaftshilfe-Café anzubieten, um unser Angebot den Menschen im Ort näher zu bringen. Aber es kamen nicht sooo viele Interessierte wie erhofft. Ich denke, für viele Senioren ist es eine Hemmschwelle, nach Hilfe zu fragen – und dann auch noch so öffentlich. Vielleicht waren aber auch einige skeptisch, weil das Angebot aus der Bürgerschaft entstanden ist und nicht von der Gemeinde kam.

Jedenfalls haben wir jetzt aktuell nochmals Flyer in jeden Briefkasten der Haushalte in Otterstadt verteilt, auf welchem auch ein Foto des Orga-Teams ist, um die eventuelle Sorge vor Trickbetrügern zu nehmen.

Im ersten Jahr unseres Angebotes hatten wir schon immerhin mehr als 35 Aufträge von circa 15 Personen erhalten. Wir sind also manchmal wiederholt in denselben Haushalten tätig. Für 2025 liegen wir bereits jetzt bei 56 Anfragen. Es geht bergauf.

Buntes Angebot von klassischen Nachbarschaftshilfen für Alt und Jung bis hin zu Cafés oder Hofflohmärkten

Wie ist die Hilfe organisiert und welche Hilfen bieten Sie an?

Schneider: Wir haben zunächst klassische Nachbarschaftshilfen angeboten: Haustiere versorgen, Besuchsdienste wie z.B. Spaziergänge, Vorlesen, Einkaufen, kleinere Hilfen im Garten wie Rasenmähen und im Haushalt wie beispielsweise Gardinen aufhängen. Alles nur im kleinen Umfang und nicht regelmäßig. Aber es existieren auch Angebote für Jüngere, denn wir wollen ja für alle Otterstädter etwas anbieten. Es gibt z.B. Nachhilfeangebote durch Lehrerinnen im Helferteam.

Nach kurzer Zeit haben sich aber aus den verschiedenen Kompetenzen der Helfer neue Ideen und Angebote aufgetan. Zum Beispiel gibt es einen Sitzyogakurs und einen Strickkreis. Dadurch wurde aus der Nachbarschaftshilfe dann das Netzwerk Otterstadt. Mittlerweile bieten wir auch durch die DigitalBotschafter Hilfe im digitalen Bereich an, der Bürgerbus organisiert Fahrten zur Aquagymnastik, es hat sich eine Krabbelgruppe gegründet, ein Selbstverteidigungskurs wird angeboten und ganz neu: ein Repair-Cafe und unser Dorf-Cafe. Auch der jährliche Hofflohmarkt läuft mittlerweile unter dem Dach des Netzwerkes.

Wer Hilfe benötigt, kann uns über das Netzwerk-Handy anrufen, das jeweils eine Person aus dem Orga-Team für vier Wochen hat und dann an jemanden anderen weitergibt. Wer Handydienst hat, stellt dann die eingehende Anfrage in unsere WhatsApp-Gruppe mit allen Engagierten. Derjenige, der sich daraufhin zuerst meldet, der hat den Job. 

Geringer Organisationsaufwand gewünscht: Netzwerk wird kein Verein

Und wie sieht die Organisation Ihres Netzwerkes aus?

Schneider: Etwa die Hälfte der Helfenden ist zwischen 40 und 50 Jahren alt, also zumeist auch berufstätig. Die andere Hälfte ist älter. Wir haben uns, um den Organisationsaufwand für alle so gering wie möglich zu halten, bewusst für ein Netzwerk und gegen eine Vereinsgründung entschieden.

Unser Netzwerk hat zudem ein Orga-Team, das zunächst aus vier Personen mit mir bestand. Dann habe ich aber noch weitere Personen angesprochen, sodass wir jetzt zu acht sind. Denn ich habe gemerkt, je mehr Personen sich den Job teilen, desto weniger Arbeit bedeutet das für die einzelne Person. Für allgemeine Besprechungen treffen wir uns alle zwei bis drei Monate, für den schnellen Austausch untereinander gibt es aber auch ein WhatsApp-Gruppe für das Orga-Team. 

Gute Verankerung im Ort, Austausch mit Bürgermeister und anderen Vereinen

Wie sieht die Unterstützung in der Gemeinde aus und wie gehen Sie mit Geldspenden um?

Schneider: Alle unsere Angebote sind ja kostenlos, nur hin und wieder bekommen wir auch eine kleine Spende. Diese Gelder gehen dann in eine Gemeinschaftskasse, aus denen Werbemaßnahmen finanziert und /oder zur besseren Vernetzung und Kennenlernen von Helfern und Angebotsnehmern unser Dorf-Cafe organisiert werden. 

Unser alter Bürgermeister, der uns sehr bei der Gründung und dem Aufbau des Netzwerkes unterstützt hat, wollte immer über unsere Tätigkeiten informiert werden und hat kleine anfallende Rechnungen, etwa für die Flyer, über die Gemeinde beglichen. Inzwischen hatten wir aber einen Bürgermeisterwechsel in Otterstadt. Deshalb wollen wir uns auch mit ihm zeitnah zusammensetzen und auch ihm unser Netzwerk und unseren Nutzen für die Menschen in Otterstadt vorstellen.

Wenn wir im Ort eine Veranstaltung durchführen, bitten wir etwa andere Vereine um Unterstützung, so wie z. B. jetzt bei unserem Dorf-Café, das wir „LindenCafé” genannt haben. Die Räumlichkeiten bekommen wir vom Gesangsverein zur Verfügung gestellt, die katholischen Frauen unterstützen uns mit Kuchen.

Unser Netzwerk hilft im Gegenzug dann, wenn Hilfe gebraucht wird.

Wunschliste: Etablierung des Dorf-Cafés und bessere Internetpräsenz des Netzwerkes

Haben Sie Ideen oder Projekte, die sie im Netzwerk angehen möchten?

Schneider: Ja, wir verfolgen etwa weiter die Idee des Dorf-Cafés, wollen dies aber zukünftig unter der Woche anbieten, um den Menschen einen Treffpunkt, aber auch Hilfeangebote näher zu bringen. Wir wünschen uns sehr, dass dies in der Woche vielleicht auch auf mehr Resonanz stößt. Außerdem planen wir das Café an bestimmte Themen und Mottos auszurichten, etwa ein Bastelcafé oder Ostercafé.

Aktuell hat ein ehrenamtlicher Mitwirkender zusammen mit anderen ein Repair-Cafe gegründet, das ich ja bereits erwähnt habe. Und ab September findet ein Meditations- und Achtsamkeitskurs statt. Ich denke, da wird noch einiges kommen. 

Was ich mir auch für unser Netzwerk wünsche, ist mehr Präsenz im Internet. Eine Seite, auf der klar ersichtlich für jeden ist, was wir leisten und wann Veranstaltungen von uns stattfinden. Wir sind im Moment auf der Jubiläums-Homepage von Otterstadt zu finden, aber wir sind dabei, uns etwas anderes zu überlegen. 

Guter Einblick in Haushalte und Vertrauensvorschuss als Gemeindeschwester plus

Ich möchte noch einmal zurückkommen auf Ihren Job als Gemeindeschwester plus. Denken Sie, dass diese Arbeit von Vorteil ist für den Aufbau des Nachbarschaftsnetzwerks in Otterstadt? 

Schneider: Ja, ich denke schon, dass es von Vorteil ist, dass ich in die Haushalte komme und auch sehe, wo es hakt und welche Unterstützung vonnöten ist. In 90 Prozent der Fälle bekomme ich ja zu hören, dass es doch alles noch gut klappt – aber den Mülleimer an die Straße zu stellen, eine Glühbirne zu wechseln oder Gardinen aufzuhängen, dann doch schon schwerfällt.

Im Gegensatz zu meiner früheren Tätigkeit beim MDK, wo mir als Pflegegutachterin ja eher Misstrauen entgegenschlug, erfahre ich dies als Gemeindeschwester plus ganz anders, da gibt es schnell ein gewisses Zutrauen und Vertrauen. Viele treten mir sehr offen gegenüber und erzählen mir von ihrem Leben. Dadurch bin ich ja auch mittendrin und kann für kleinere Hilfen sorgen. Ich bin im mittleren Rhein-Pfalz-Kreis tätig und habe mir dadurch mittlerweile ein recht großes Netzwerk aufbauen können. Auch bei meiner Arbeit habe ich festgestellt, wie wichtig es ist, sich persönlich zu zeigen. Flyer alleine sind nicht alles.

Eine letzte Frage noch, die mich interessiert: Wie sind Sie eigentlich auf die Landesinitiative Neue Nachbarschaften aufmerksam geworden?

Schneider: Das kam über die Nachbarschafshilfe Neuhofen, einer unserer Nachbargemeinden. Hier war die Initiative aufgrund von Corona eingeschlafen und man bat mich als Gemeindeschwester plus um etwas Unterstützung bei der Wiederbelebung bzw. Neugründung ihrer Nachbarschaftshilfe. Dort hat man mich auch auf die Landesinitiative – auf die ich bisher noch nicht gestoßen war – wegen der Fördermöglichkeiten aufmerksam gemacht und mir einen Flyer von der Landesinitiative mitgegeben. Dann habe ich die Webseite besucht und Kontakt aufgenommen, eben um mehr über Fördermöglichkeiten zu erfahren und die Fragen zu Geldspenden oder auch einer eventuellen Vereinsgründung zu klären.

Vielen Dank für das Gespräch Frau Schneider.

Weitere Informationen zum Netzwerk auf der Jubiläums-Webseite der Gemeinde Otterstadt und über den Projektefinder der Landesinitiative.