Dreh- und Angelpunkt des Vereins sind die sechs Mitglieder des Vorstandes, die für die Vernetzung im Dorf sorgen und die Hilfe vor Ort koordinieren. Die Gründung des Vereins geht mit auf die Initiative der Vorsitzenden Tanja Körner zurück. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie wichtig das soziale Netz ist“, so die 57-jährige Fremdsprachenkorrespondentin. Da habe es nur noch eines Anstoßes vom damaligen Ortsbürgermeister bedurft und sie entschloss sich aus dem Gedanken zur Selbsthilfe heraus, auch für die Menschen im Ort nachbarschaftlich aktiv zu werden. In dem Interview berichtet sie von der täglichen Arbeit, wie man zu einer festen Größe in Beindersheim geworden ist sowie von den Erfolgen, aber auch den Schwierigkeiten, die u. a. auch durch die Corona-Krise ausgelöst wurden.
Tanja Körner (Foto: privat)
Frau Körner, Sie bezeichnen den Verein als „Sozial-Feuerwehr“ im Ort. Was hat es damit auf sich?
Körner: Wir haben im Februar 2016 die Initiative gegründet, um sozusagen „Erste Hilfe“ bei sozialen Notlagen in unserem Dorf zu leisten. Irgendwie kam der Begriff der „Sozial-Feuerwehr“ auf, weil wir versuchen, so schnell wie möglich vor Ort zu sein und die bestmögliche Lösung für das vorliegende Problem zu finden. Der hilfesuchende Mensch erreicht uns über das Vereinstelefon. Die Nummer wird wöchentlich im Amtsblatt veröffentlicht und ist auch in unserem Flyer zu finden, den wir in alle Haushalte verteilt haben. Das Telefon klingelt bei mir, als „Chefin“ des Vereins und bei meinem Stellvertreter, Manfred Doppler. Sollten wir beide nicht gleich erreichbar sein, wird eine Nachricht per E-Mail generiert, in der wir mindestens die Nummer des Anrufers sehen und – falls eine Audionachricht hinterlassen wurde – diese anhören können. Danach nehmen entweder Herr Doppler oder ich die Erledigung der Anfrage in Angriff, oder – falls wir gerade nicht tätig werden können – ich rufe die Mitglieder des erweiterten Vorstandes an und schreibe eine E-Mail an alle Mitglieder, in der ich den Sachverhalt schildere. Das Vereinsmitglied, das die nötige Hilfe leisten möchte, meldet sich bei mir und übernimmt dann den Fall.
Wie sieht so ein Fall ganz praktisch aus?
Körner: Als Beispiel kann ich einen Fall der letzten Woche schildern: Eine Beindersheimer Bürgerin war gestürzt und lag hilflos im Wohnzimmer. Zum Glück konnte sie ihr Telefon erreichen und hatte unsere Nummer eingespeichert. Sie rief uns also an und wir leiteten alles Nötige in die Wege: der Notarzt kam, sie wurde ins Krankenhaus eingeliefert, wir richteten ihre „Krankenhaustasche“, informierten ihre Tochter, organisierten, dass die Katze für die Zeit der Abwesenheit versorgt wird, meldeten bei der Sozialstation das An- und Ausziehen der Kompressionsstrümpfe ab, etc.
Solche Anfragen sind recht häufig. Oft melden sich aber auch Menschen, die einfach nicht mehr alleine zum Arzt, zur Bank, zum Einkaufen können, weil sie nicht mehr selbst Auto fahren können, oder in der eigenen Mobilität eingeschränkt sind. Für diese Menschen bieten wir Fahrdienste an. Ein anderer wichtiger Bereich, in dem wir Hilfe leisten, hängt mit der Unwissen- und Unsicherheit in administrativen Dingen zusammen: Wie beantrage ich einen Pflegegrad? Welche Hilfsmittel kann mein Arzt verordnen? etc. Zu solchen Themen beraten wir und arbeiten dabei eng mit dem Sozialstützpunkt in unserer Nachbarsgemeinde Lambsheim zusammen.
Vor vier Jahren sind Sie mit der Nachbarschaftshilfe gestartet. Was ist rückblickend besonders gut gelungen und wo sehen Sie noch Optimierungsbedarf?
Körner: Von Anfang an war mir das Ankommen im Dorf und die Akzeptanz unserer Initiative wichtig. Ich bin sehr zufrieden, wie gut sich dies seit der Gründung entwickelt hat. Wir sind mit 45 Mitgliedern gut aufgestellt und werden von Institutionen des Dorfes kontaktiert, wenn es irgendwo brennt: Der ortsansässige Arzt, die Physiotherapeuten, die Mitarbeiter der Apotheke und anderer Geschäfte im Ort kontaktieren uns und weisen auf Missstände oder Notfälle, auf die sie aufmerksam werden, hin. Oder sie legen Menschen, die Hilfe brauchen, nahe, sich an uns zu wenden.
Besser werden müssen wir noch bei der Mitgliederwerbung oder der Aktivierung junger Menschen und – und das ist mein Hauptthema – bei der Erreichbarkeit alleinlebender hochaltriger Bürgerinnen und Bürger. Gerade durch Corona ist deren Situation häufig noch schwieriger und trauriger geworden. Viele sind oft weniger flexibel und offen für Neues und Fremdes. Wenn dann auch noch keine Angehörigen vor Ort sind, werden sie schnell sehr einsam. Corona hat viele in dieser Altersgruppe stark verunsichert. Das erschwert uns als Nachbarschaftshilfe, an diese sehr alten Menschen heranzutreten und ihnen das Leben leichter und schöner zu machen oder schlimme Missstände abzuwenden.
Die Corona-Pandemie hat die Arbeit vieler Nachbarschaftsinitiativen beeinflusst. Wie hat Sie die Krise getroffen und sich auf die Aktivitäten der Nachbarschaftshilfe ausgewirkt?
Körner: Am Beginn der Corona-Krise wurde ich von unserem Bürgermeister angerufen und wir entwickelten ein Konzept, wie hilfesuchende Menschen, die sich nicht bei uns, sondern bei ihm melden, schnellstmöglich an uns verwiesen werden, damit sie von unserem Verein Hilfe bekommen können.
Wie ich ja gerade schon geschildert habe, macht uns die Corona-Krise die aktive Unterstützung schwerer. Zum einen wollen wir natürlich niemanden gefährden, zum anderen haben die alten Menschen teilweise große Angst und meiden jeden Kontakt. Wir haben sofort, als die Einschränkungen wegen Corona in Kraft traten, im Amtsblatt und den sozialen Medien dazu aufgerufen, sich bei uns zu melden, wenn man sich wegen Corona nicht zum Einkaufen, zur Bank, zur Apotheke traut.
Sie haben ein mobiles „Klappcafé“ im Ort eingerichtet. Findet dieses zurzeit statt und was steckt dahinter?
Körner: Leider hat das Klappcafé gerade Corona-Pause. Eigentlich handelt es sich bei dem Klapp-Café aber um ein tolles Kommunikationsmittel, bestehend aus einfachen Komponenten: einem Klapptisch und zwei Klappstühlen. Diese stellen wir im Ort dort auf, wo viele Menschen vorbeikommen. Auf dem Tisch stehen eine Thermoskanne mit Kaffee und Tassen – und dann warten wir darauf, dass jemand stehen bleibt und wissen möchte, was wir da denn tun. Bei einer Tasse Kaffee erklären wir den Sinn und die Ziele unserer Initiative. So kommt man spielerisch und unverkrampft mit den Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch und macht den Verein bekannt.
Sie werben mit generationenübergreifenden Angeboten. Werden diese angenommen und wie engagieren sich die unterschiedlichen Generationen als Helfende?
Körner: Unsere generationsübergreifenden Angebote werden genutzt, auch wenn sie nur einen kleinen Teil der Anfragen ausmachen. Wir helfen zum Beispiel gerne, wenn Alleinerziehende auch mal eine Auszeit brauchen und niemanden haben, der die Kinder betreut.
Eines unserer jungen Mitglieder hilft immer mal wieder bei einem demenzkranken Mann, wenn dessen Frau einfach mal ausspannen will und einen Konzert- oder Theaterbesuch plant, was ohne die Betreuung ihres Mannes nicht möglich wäre.
Die Altersstruktur unseres Vereins erstreckt sich vom Anfang 20-Jährigen bis zum fast 90-Jährigen. Naturgemäß sind die aktiven Mitglieder diejenigen, die bis circa 75 Jahre alt sind.
Wie wirkt sich die Arbeit des Vereins aus – zum einen nach außen in den Ort hinein und auf die Nachbargemeinden und zum anderen innerhalb des Vereins und der Mitglieder zueinander?
Körner: Die Präsenz unseres Vereins erzeugt im Ort eine gewisse Sicherheit, weil nach vier Jahren aktivem Einsatz für die Bürger jede und jeder weiß, dass es uns gibt und dass wir seriös, vertrauenswürdig und zuverlässig helfend da sind, wenn Hilfe gebraucht wird. Beindersheim ist Teil einer Verbandsgemeinde bestehend aus sechs Gemeinden, aber nur Beindersheim hat eine Nachbarschaftshilfe. Oft erreichen uns daher Anfragen aus anderen Gemeinden, die wir satzungsgemäß ablehnen müssten, aber doch annehmen, wenn es sich um schlimme Fälle handelt, in denen Gefahr im Verzug ist. Das scheint sich herumzusprechen. Ich werde oft von Personen aus anderen Gemeinden angesprochen, die Infos darüber wollen, wie man so eine Initiative gründet – vielleicht sind wir ja bald Auslöser weiterer Initiativen in den Gemeinden um uns herum!
Innerhalb des Vereins sind seit der Gründung viele Freundschaften entstanden, und die Vernetzung wird immer dichter. Viele unserer alten Mitglieder erhalten von den Jüngeren Unterstützung bei allen möglichen Problemen. Der Verein ist sehr schön zusammengewachsen und erfüllt zwei Anforderungen: Hilfe nach außen für jede und jeden, der in Not ist, sowie Unterstützung und Verbundenheit im vereinsinternen Bereich für unsere Mitglieder.
Was läuft in Ihrem Projekt besonders gut, auf das Sie stolz sind?
Körner: Egal wie viele Anfragen nach Hilfe uns erreichen, es findet sich immer jemand, der bereit ist, das Anliegen zu übernehmen und sich zu kümmern. Darauf bin ich stolz. Bisher haben wir noch niemanden im Stich lassen müssen.
Welche Herausforderungen sehen sie für die Zukunft und welches sind die nächsten Ziele, die Sie sich gesteckt haben?
Körner: Die durch Corona veränderten Lebensumstände machen es uns zurzeit schwer, unsere Ziele und den Zweck des Vereins in die Tat umzusetzen. Wir werden natürlich nicht aufgeben und haben uns als erweiterter Vorstand vor ein paar Tagen zusammengesetzt, um zu beratschlagen, wie wir die Corona-Krise bewältigen und wie wir die Menschen trotzdem und weiterhin erreichen können. Der Plan ist, Plätze im Ort, die es ermöglichen, mit dem nötigen Abstand Sitzgelegenheiten bereitzustellen, für unsere Offene Treffen zu nutzen und diese wieder ins Leben zu rufen. Abzuwarten bleibt, ob und wie gut dieses Angebot angenommen wird.
Wir werden weiterhin regelmäßig im Amtsblatt inserieren, unsere Mitglieder per E-Mail und auf dem Postweg auf dem Laufenden halten sowie unseren Flyer erneut in alle Haushalteverteilen. Ende des Monats organisieren wir ein Treffen für die Mitglieder des Vereins, natürlich mit den notwendigen Sicherheitsmaßnahmen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Körner.
Weitere Informationen auf der Webseite von Beindersheim oder über die Projektdarstellung auf der Webseite der Landesinitiative.