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Projekt des Monats März: Mit dem Bürgerverein Neuburg ist „ein guter Geist“ ins Dorf eingezogen

Als Nachbarschaftshilfe geplant und als Bürgerverein gewachsen – in der 2600-Seelen-Gemeinde Neuburg stemmt der Verein nicht nur klassische Nachbarschaftshilfen, sondern auch eine Wohn-Pflege-Gemeinschaft.

Im Landkreis Germersheim in der Pfalz liegt am Rhein das Dorf Neuburg – im südlichsten Zipfel von Rheinland-Pfalz und in unmittelbarer Nähe von Karlsruhe und dem Elsass. Fast jeder sechste Einwohner Neuburgs ist heute bereits Mitglied im gleichnamigen Bürgerverein, der seit über zehn Jahren besteht und in dieser Zeit Einiges unter der Vereinsmitbegründerin und Gemeinderätin Arnika Eck gestemmt hat. Am außergewöhnlichsten darunter ist sicher ein Seniorenwohnprojekt mit einer Wohn-Pflege-Gemeinschaft, für die und alle Aufgaben drum herum die 68-Jährige hauptverantwortlich ist. Die Industriefachwirtin und heutige erste Vereinsvorsitzende organisiert aber auch einen Kaffeeklatsch und ist Ansprechpartnerin für Arztfahrten. Im Interview erklärt sie, wie der Bürgerverein mit seinen vielfältigen Tätigkeiten und Angeboten im Dorf gewachsen ist.

 Arnika Eck (Foto:privat)

Frau Eck, seit wann existiert der Bürgerverein Neuburg und wie kam es dazu?

Eck: Wir sind im Jahr 2010 gestartet. Ich bin seit über 30 Jahre Gemeinderätin und machte mir damals Gedanken um den demografischen Wandel und die Auswirkungen auf unser Dorf. Ich wollte den Herausforderungen etwas entgegensetzen und habe mit meiner Fraktion einen Antrag beim Gemeinderat gestellt. Der Gemeinderat unterstützte die Vereinsgründung, sodass das Projekt auf einer breiten Basis stand.

Der Grundgedanke war, eine Nachbarschaftshilfe auf den Weg zu bringen, wir haben das Projekt dann „Bürgerverein“ genannt, um das ganze Dorf mitzunehmen

„Nach fünf Jahren bereits über 400 Mitglieder“

Wie sind Sie dann gestartet, sowohl organisatorisch als auch mit welchen Aktionen?

Eck: Wir starteten mir einem Flyer für alle Haushalte, in dem wir für die Gründung eines Bürgervereins warben. Zur ersten Versammlung kamen rund 40 Personen. Die Gründungsversammlung konnte kurze Zeit später abgehalten werden. Wir starteten mit rund 40 Mitgliedern und es ging steil aufwärts, sodass wir nach drei Jahren schon 300 und nach ca. fünf Jahren über 400 Mitglieder hatten.

Fahrten zum Arzt, kleine häusliche Hilfen, wie leichte Gartenarbeit oder Schnee räumen, oder ein Lieferservice vom Bäcker und der Apotheke waren die ersten Service-Angebote. Aktive sind wir bis heute rund zehn bis 15 einschließlich des Vorstands. Mit einem Mitgliedsbeitrag von zwölf Euro im Jahr halten wir bewusst die Schwelle für den Beitritt in den Verein niedrig.

Von der Spaziergängergruppe bis zur Wohn-Pflege-Gemeinschaft

Welches sind heute Ihre wichtigsten Angebote im Verein?

Eck: Mit unserem über Social-Sponsoring angeschafften Bürgerbus bieten wir wöchentliche Einkaufsfahrten in die Supermärkte der Region an. Ein weiterer Service sind individuelle Fahrten zu den Ärzten. Einmal pro Woche fährt der Bus zur Wörther Tafel zum Einkaufen, zumeist mit Geflüchteten. Den Bus können aber auch andere Vereine der Gemeinde ausleihen.

Ansonsten ist unser monatlicher Kaffeeklatsch sehr beliebt und ist nach der Corona-Pause wieder schnell aufgelebt. Wir helfen der älteren Bevölkerung auch gerne beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen. Zuletzt hat sich, organisiert durch eine Vorstandskollegin, eine Spaziergängergruppe etabliert. Hier treffen sich jeden Mittwoch – außer im Winter – fünf bis zehn Frauen und Männer zu einem geselligen Spaziergang. Nicht zuletzt ist aber die im Jahr 2018 bezogene Wohn-Pflege-Gemeinschaft unser größtes Projekt.

Was verbirgt sich hinter der Wohn-Pflege-Gemeinschaft und wie ist sie ein Teil des Bürgervereins geworden?

Eck: Als Gemeinderätin wurde mir eine Wohnhausplanung eines Bauträgers bekannt. Mir ging sofort durch den Kopf, dass die Lage sehr gut für ein Seniorenwohnprojekt wäre. Daraufhin sprach ich den Bauträger an, ob dieser Wohnzweck für ihn auch infrage käme und wir wurden schnell einig. Wir begannen mit der Planung 2014 und wurden stark vom Land Rheinland-Pfalz, insbesondere durch das Projekt WohnPunkt sowie durch unsere Kreisverwaltung in Germersheim unterstützt.

So entstand eine ambulante Wohn-Pflege-Gemeinschaft (WPG) für zwölf Bewohnerinnen und Bewohner, die im März 2018 bezugsfertig war. Im gleichen Gebäude befinden sich weitere acht barrierefreie Eigentumswohnungen, die überwiegend von älteren Menschen bewohnt werden.

Zwei Vereine und „Arbeitgeber für mittlerweile 14 Mitarbeitende“

Wie hat sich diese Wohn-Pflege-Gemeinschaft dann weiterentwickelt?

Eck: Die ersten eineinhalb Jahre waren Lehrjahre. Für den Bürgerverein als Träger gab es keine Blaupause. Wir waren nicht ganz zufrieden mit dem ambulanten Pflegedienst, der die 24-Stunden-Betreuung übernommen hatte. Deshalb gründeten wir im April 2019 einen Betreuungsdienst, den Verein WohnPfleGe e.V., der in der Folge die 24-Stunden-Betreuung in der WPG übernahm. Damit sind wir mit diesem Verein Arbeitgeber für mittlerweile 14 Mitarbeitende und verantwortlich für einen 24-Stunden-Betrieb in der WPG.

Dem aber nicht genug. Im April 2021 gründeten wir dann auch noch einen ambulanten Pflegedienst, der in einem Nachbargebäude seinen Sitz hat. Dieser Pflegedienst versorgt nicht nur die zwölf Seniorinnen und Senioren in der WPG, sondern die pflegebedürftigen Menschen in der gesamten Gemeinde.

Wir haben sozusagen das Feld von hinten aufgerollt und nun ist nach meinem Eindruck alles „im grünen Bereich“. Um die zwölf Seniorinnen und Senioren zwischen 77 und 93 Jahren kümmern sich aber nicht nur die 14 Angestellten, sondern auch einige Ehrenamtliche und Angehörige, die aktiv mitarbeiten.

Wie sind dort die Aufgaben aufgeteilt?

Eck: Die Betreuungskräfte haben die Hauptverantwortung für die Hauswirtschaft und Betreuung. Aber sonst schauen wir, dass die Leute nach ihren Talenten eingesetzt werden. So kann es sein, dass eine Angehörige oder eine Ehrenamtliche, die sich auf Hausmannskost versteht – diese lieben die Bewohnerinnen und Bewohner –, das Kochen übernimmt und die Betreuungskraft kümmert sich in dieser Zeit um andere Aufgaben.

Leben in der Wohn-Pflege-Gemeinschaft auch Personen mit Demenz bzw. wie sind Sie auf das Thema vorbereitet?

Eck: Ja, wir nehmen an Demenz erkrankte Personen auf. In der WG leben ungefähr zur Hälfte demente Menschen. Zudem verändern sich die Bewohner auch, während sie bei uns sind. Unser Personal ist auf das Krankheitsbild Demenz geschult. Dennoch ist es oftmals eine Herausforderung, bei den nicht an Demenz erkrankten Bewohnerinnen und Bewohner auf Verständnis zu stoßen für das Verhalten der Personen mit Demenz. Aber insgesamt haben wir in unserer WG eine sehr familiäre, entspannte und heitere Atmosphäre.

Sie berichten zudem auf ihrer Vereinswebseite auch von einer Mini-WG. Was hat es damit auf sich?

Eck: Im Gebäude verstarb die Eigentümerin einer sehr schönen Wohnung. Die Erben waren damit einverstanden, die Wohnung für eine kleine Zweier-WG an zwei ältere Damen – eine Dame mit, eine ohne Pflegegrad – zu vermieten. Die Frauen kannten sich vorher nicht, hatten aber sehr schnell einen guten Draht zueinander. Beide sind, wie auch die zwölf Bewohnerinnen und Bewohner der WPG, Mitglieder des Bürgervereins und nutzen die Angebote.

Sind Ihnen die Förderangebote – Miniangebote zur Unterstützung im Haushalt und für Initiativen des Ehrenamtes – bekannt und nutzen Sie diese?

Eck: Ja, ich muss aber sagen, dass ich zum Beispiel den Antrag, den wir einmal bei der ADD für die Initiativen des Ehrenamts gestellt haben, nicht mehr stellen möchte. Der bürokratische Aufwand, die Zeit für die ganzen Nachweise, die wir da hineingesteckt haben, war einfach zu hoch. Bekommen haben wir letztendlich 400 Euro.

Welche Bedeutung spielt die Vernetzung für Ihre Arbeit?

Eck: Vernetzung ist sehr wichtig für unserer Arbeit. Der Verein, aber auch ich, sind im Ort sehr gut bekannt. Ich bin auch in anderen Vereinen und einmal jährlich findet ein Vereinstreffen statt, das heißt innerörtlich sind wir bestens vernetzt. Auch die Vernetzung mit dem Landkreis ist gut und wir werden von dort unterstützt. Besonders die Landestreffen sind äußerst interessant und stellen für mich immer eine hervorragende Quelle des Austauschs und der Information dar.

„Ausgeprägte Hilfsbereitschaft – Es hat sich ein guter Geist entwickelt“

Was hat Ihr Engagement im Ort bewirkt?

Eck: Die Unterstützungsangebote geben sicherlich vielen Älteren ein gutes Gefühl, dass sie zum Beispiel auch zum Arzt oder zum Einkaufen kommen, wenn die eigenen Familienmitglieder bei der Arbeit oder im Urlaub sind. Zudem steht die WPG denjenigen offen, die sich zu Hause nicht mehr versorgt fühlen. Darüber hinaus habe ich den Eindruck, die Präsenz des Bürgervereins hat sich positiv auf die Gemeinschaft ausgewirkt. Insgesamt sind die Nachbarschaften im Ort gestärkt worden, ich beobachte eine ausgeprägte Hilfsbereitschaft im Dorf, die Leute schauen wieder mehr aufeinander und helfen und unterstützen sich gegenseitig. Es hat sich offenbar ein guter Geist entwickelt.

„Alles auf dem derzeitigen guten Niveau am Laufen halten“

Wie stellen Sie sich die Zukunft des Bürgervereins vor, sind weitere Projekte und Angebote geplant?

Eck: Nun haben wir als Verein ja erst einmal das Riesenprojekt Wohn-Pflege-Gemeinschaft gestemmt, für das wir 1,1 Millionen Euro investiert haben. Unser Ziel ist, diese Einrichtung solide zu führen und unsere Schulden zielstrebig zu tilgen. Zudem ist es eine dauerhafte Aufgabe, die wunderbare familiäre Atmosphäre in der WPG zu pflegen und zu bewahren. Für weitere Angebote und Projekte sind wir offen, aber dann bräuchte es weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter, denn ich bin ehrlicherweise ziemlich am Anschlag. Das Managen dieser vielfältigen Strukturen ist schon sehr aufwendig, bereitet aber auch viel Freude. Ich bin zufrieden, wenn wir alles auf dem derzeitigen guten Niveau am Laufen halten.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Eck.

Weitere Informationen auf der Vereinswebseite und bei der Selbstdarstellung auf der Webseite der Landesinitiative.