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Projekt des Monats Dezember: Jung, agil und voller Tatendrang – „Mombach hilft“

Corona war nur der Auslöser für die Mainzer Initiative „Mombach hilft“ Was erst im März 2020 mit einer WhatsApp-Gruppe im Stadtteil Mombach gestartet ist, ist nun als Verein gelandet. Die Engagierten haben dabei nicht nur die Nöte in der Corona-Pandemie im Blick, sondern haben längst auch den Hilfebedarf, der schon vor dieser besonderen Zeit in Mombach existierte, erkannt.

Seit März dieses Jahres ist der Mainzer Stadtteil Mombach, um eine große Gruppe engagierter Menschen reicher. „Mombach hilft“ – seit November auch ein eingetragener Verein – wäre laut Daniela Gönner, die zu den Gründungsmitgliedern von Initiative und Verein gehört, ohne Corona wohl nie entstanden. Aber jetzt ist er da und die seit dem Frühling gewachsenen Angebote sollen nun auch verstetigt werden. „Wir müssen für Hilfesuchende nicht alles neu erfinden, aber wir wollen Vermittler im Stadtteil sein, denn wir haben anhand der Kommunikation der Akteure gemerkt, dass so ein Angebot fehlt“, sagt die 40-jährige Sachbearbeiterin, die für die Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner in Mainz arbeitet. Im Interview berichtet die Vereinsvorsitzende vom beginnenden Engagement, dem Aufbau von Strukturen und den Plänen, die über die Corona-Pandemie hinausreichen.

 Daniela Gönner (Foto: privat)

Frau Gönner, Sie haben erst in diesem Jahr begonnen, sich nachbarschaftlich zu engagieren, wie ist das Ganze denn gestartet?

Gönner: Begonnen hat alles mit einer WhatsApp-Gruppe. Diese wurde von Monika Schmitz am 13. März gegründet, direkt nachdem bekannt wurde, dass der erste deutschlandweite Lockdown kommt. Sie stellte sich die Frage: Wie werden denn dann jetzt die Älteren, Kranken und Menschen in Quarantäne versorgt? Keiner wusste etwas über das Virus und wie es wirklich übertragen wird. So hatten viele Angst und waren verunsichert.

Monika fragte mich dann, ob ich sie bei der Gruppe unterstützen könnte. Eigentlich hatte keiner einen Plan, aber wir wollten helfen. Durch die Verbreitung in den Sozialen Medien hatten wir innerhalb weniger Stunden bereits über 100 Personen in unserer Gruppe. Alle wollten helfen und sich austauschen. Problematisch war nur, dass leider auch unbewusst viele Fake News in der Gruppe verbreitet wurden. Das hat dann sehr schnell schon wieder viele vergrault. Zudem wollten wir ja helfen, konnten aber über die WhatsApp-Gruppe, diejenigen Menschen im Stadtteil, die Hilfe brauchten, nicht erreichen.

Deshalb haben wir schnell Strukturen geschaffen. Um uns vor unkontrollierten Nachrichten zu schützen, haben wir erst einmal die WhatsApp-Gruppe auf einen Admin-Modus umgestellt und mit Ilkay, Antonia, Mischa, Moni und mir ein Kernteam zur Koordinierung gegründet, das auch in der Gruppe Nachrichten posten darf. Wir haben zudem Verhaltensregeln für Hilfesuchende und Hilfeleistende aufgestellt, den Kontakt zur lokalen Politik gesucht, Logo und Design entwickelt und die ersten 10.000 Flyer gedruckt. Diese wurden dann dank der großen WhatsApp-Gruppe innerhalb von wenigen Tagen in Mombach verteilt.

Vermittlung von Patenschaften über alle Kanäle

Wie waren die Reaktionen? Und was waren die ersten Hilfen, die Sie dann auf die Beine gestellt haben?

Gönner: Nach der Flyer-Aktion ging bei uns die Arbeit erst richtig los! Vier von uns telefonierten tagein tagaus. Denn zunächst mussten wir vielen Hilfesuchenden in langen Erstgesprächen die Angst vor der neuen Situation nehmen. Die meist älteren Mombacher informierten sich über unserer Angebote und wollten wissen, wie es dann abläuft, falls sie darauf zugreifen. Sobald wir alle Eckdaten der Hilfesuchenden erfragt und von ihnen die Einwilligung bekommen hatten, dass wir ihre Nummern weitergeben durften, wurde in unserer WhatsApp-Gruppe nach den passenden Helferinnen und Helfern – also Patinnen und Paten gesucht. In der Regel funktionierte das dann schon innerhalb von ein paar Minuten. Die Kontaktvermittlung lief ganz einfach über Telefon, E-Mail und WhatsApp. Bei aufwendigeren Anfragen, haben wir auch andere Soziale Medien wie etwa unsere Facebook-Seite genutzt.

Zu Beginn wurde zumeist nach Einkaufshilfen, Gassi gehen, Erklärungen zum Virus bzw. Möglichkeiten, wo und wie man genauere Informationen bekommt, gefragt. Später wurden die Anfragen aber auch allgemeiner, etwa nach Hilfe zur Pflege oder im Haushalt. Zudem wurde Hilfe gesucht, um Anträge zu stellen. Und einmal haben wir zum Beispiel auch einem kompletten Umzug einer Flüchtlingsfamilie gemanagt samt Organisation und Einbau einer komplett neuen Küche.

Als eine große Stütze in dieser Zeit erwies sich übrigens Michael Zangi, da er uns bei all den wichtigen technischen Dingen half. Denn er designte nicht nur das Mombach-hilft-Logo, sondern richtete auch unsere Email-Adresse ein und vereinte alle unsere wichtigen Informationen wie Verhaltensregeln, Angebote und notwendige Vollmachten in verschiedenen Sprachen auf der Stadtteilseite www.mombach.de

„Unsere Ängste waren unbegründet, alle wollten einfach ihren Beitrag leisten“

Macht man sich durch solch recht spontane Aktionen in der Öffentlichkeit bzw. den Social Media nicht auch angreifbar?

Gönner: Zu Beginn hatten wir schon so unsere Sorgen. Deshalb war uns zum Beispiel auch immer sehr wichtig, dass die Hilfesuchenden und Hilfesteller unseren Verhaltensregeln zustimmten, denn größtenteils – ich schätze mal zu 80 Prozent – arbeiteten wir ja mit uns vollkommen fremden Menschen zusammen. Als ein gewisses Risiko empfanden wir es natürlich auch, dass vier von uns ihre Handynummern publik gemacht haben.

Um unnötige und eventuell gefährliche Kontakte zu vermeiden, haben wir in unseren Regeln übrigens auch festgelegt, dass die Hilfeleistenden bitte in Vorkasse gehen, wenn sie zum Beispiel Einkäufe erledigen. Unsere Ängste, dass diese Hilfen ausgenutzt oder wir mit Anrufen bombardiert werden, erwiesen sich aber zum Glück als unbegründet. Alle waren sich des Ernstes der Lage bewusst und wollten einfach ihren Beitrag so gut wie möglich leisten.

Reibungslose Förderung wird in direkte Hilfe umgesetzt

Wie hat sich dann Ihre Arbeit weiterentwickelt?

Gönner: Die Landesregierung hat als erstes das große Potenzial der kleinen Nachbarschaftshilfen und Unterstützungsangebote erkannt. Unsere Initiative wurde mit 500 Euro gefördert, die wir für die Organisation von Strukturen und nötigen Anschaffungen ausgeben konnten. Antrag und Ausschüttung verliefen reibungslos und schnell. Die Stadt Mainz zog mit der Aktion „Mainz hilft sofort“ nach. Hierüber und mit der Unterstützung von unserem Ortsvorsteher Christian Kanka erhielten wir genauso schnell und unkompliziert weitere 1500 Euro Förderung.

Als die Aufforderung der Regierung zum Maskentragen kam, haben wir einen Großteil des Geldes in den Kauf von Stoffen und Gummibändern investiert. Mithilfe von etwa 15 WhatsApp-Gruppenmitgliedern konnten so von April bis Ende Mai um die 1000 Masken genäht werden, die wir dann kostenlos verteilt haben. Viele haben dafür sogar etwas gespendet. Damit konnten wir neues Material kaufen und haben zum Beispiel die neuen ersten Klassen der beiden Mombacher Grundschulen mit einem Satz Masken ausgestattet.

Was wir ebenfalls sehr gerne unterstützt haben, war die Übernahme von Taxikosten für Risikopatienten und -patientinnen, die für ihre Arztbesuche keinen Transportschein bekamen.

Von der WhatsApp-Gruppe zu 150 Ehrenamtlichen

Das sind ja schon sehr viele Dinge, die sie in nur zwei bis drei Monaten auf die Beine gestellt haben, aber ein Verein waren Sie da noch nicht?

Gönner: Nein, wir sind von Aufgabe zu Aufgabe gewachsen und haben uns weiterentwickelt. Der Gedanke, dass wir uns als Verein aufstellen wollten, kam aber schon sehr früh, knapp nach dem ersten Lockdown. Denn viele Hilfesuchende hätten einfach schon vorher das Hilfsangebot gebraucht.

Wir konnten die durch die Pandemie gesteigerte Hilfsbereitschaft nutzen und auch über den Lockdown hinaus die Patenschaften bestehen lassen. So sind in unserer WhatsApp-Gruppe bis heute immer noch über 150 Ehrenamtliche, wovon an die 80 weiterhin sehr aktiv sind.

Hat sich seit dem Abebben der ersten Welle der Corona-Pandemie auch Ihre Arbeit verändert?

Gönner: Ja, auf diese Veränderung mussten auch wir erst einmal reagieren. Einerseits waren wir alle im Sommer froh und glücklich, dass unser Angebot weniger gebraucht wurde. Es war eine Zeit, um uns von der anstrengenden Zeit zuvor zu erholen und wir waren ja auch wieder voll in unseren Berufen unterwegs. Dennoch haben wir uns mit Unterstützungen für kleine Corona-konforme Veranstaltungen weiter im Gespräch gehalten. Und da wir selbst auch alle noch bis heute bestehende Patenschaften eingegangen waren, war auch so immer noch etwas zu tun.

Nebenbei fingen wir an, unsere Idee der Vereinsgründung zu konkretisieren. Die Satzung musste geschrieben, die Strukturen für die Vereinsarbeit ausgearbeitet werden.

Wir hatten aber alle auf dem Schirm, dass, sobald es wieder kälter wird, unsere Angebote entweder wegen einer Grippewelle oder eben einer zweiten Coronawelle gebraucht werden würden. Daher wurden im Oktober neue Flyer gedruckt, Gespräche mit Kooperationspartnern wie Caritas, Pflegestützpunkt, lokale Politik und Stadtteilquartier geführt. Zudem haben wir unserer Pressearbeit wieder verstärkt.

Für den 10. November war eigentlich unsere Gründungsversammlung angesetzt, die wir nach der Ankündigung erneuter Kontaktbeschränkungen, aber noch kurzfristig auf den 1. November vorverlegen und mit den nötigen sieben Mitgliedern erfolgreich durchführen konnten.

Bunte Mischung mit Vernetzung in die Politik

Nun besteht Ihr Verein ja gerade erst seit einem guten Monat. Wie sind sie strukturell aufgestellt?

Gönner: Wir sind derzeit 20 Mitglieder plus Beirat, ohne dass wir groß eigene Werbung für uns gemacht hätten. Unsere Mitglieder sind bunt gemischt und zwischen 17 und 84 Jahre alt. Dabei sind sowohl sehr aktive mithelfende Mitglieder, aber auch Mombacherinnen und Mombacher, die uns einfach nur unterstützen wollen.

Uns war wichtig, einen starken Beirat zu haben. Da wir von Seiten der Stadt und der Politik immer stark unterstützt wurden, wollten wir diese Verbindungen gerne mit in den Verein einfließen lassen. So sind wir sehr dankbar, dass wir mit unserem Oberbürgermeister Michael Ebling, der Bundestagsabgeordneten Tabea Rößner, der Finanzministerin von Rheinland-Pfalz Doris Ahnen, der Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz, dem Fraktionsvorsitzenden der FDP David Dietz und unserem Ortsvorsteher Christian Kanka starke Stimmen quer durch die Parteien gewinnen konnten.

„Mit breiter Brust und Good News einen positiven Wandel in Mombach erreichen“

An welchen Projekten arbeiten Sie aktuell?

Gönner: Derzeit läuft bei uns die Weihnachtskartenaktion. Damit unterstützen wir die ansässigen Schulen, Grundschulen und das Haus Haifa. In einem normalen Jahr hätten die Einrichtungen an dem jährlich stattfindenden Adventsbasar teilgenommen und allerlei Gebasteltes verkauft. Wir haben 500 Grußkartenrohlinge gespendet und zur Gestaltung an die Kinder verteilt. Diese Weihnachtskarten werden durch Geschäfte und auf dem Wochenmarkt verkauft und die Erlöse kommen dann wieder den Einrichtungen zugute. Bei knapp 200 Karten rufen wir die Käufer auf, diese mit einem Gedicht, lieben Worten und Grüßen zu versehen und dann entweder an das Ursel-Distelhut-Haus oder der Caritas für die Aktion „Schöne Post“ zu senden. Die beiden Einrichtungen verteilen diese Karten dann wiederum an ihre Bewohnerinnen und Bewohner bzw. an ältere Mombacher. Durch die mediale Verbreitung der Aktion hat sich dann zum Beispiel noch die Stiftung Hilfe für dein Leben aus Mainz bei uns gemeldet und angeboten, für jeden Empfänger der Karten noch ein kleines Geschenk beizusteuern.

Was sind Ihre nächsten Schritte, die Sie planen?

Gönner: Im neuen Jahr wollen wir auch aktiv mehr Mitglieder gewinnen. Außerdem versuchen wir Fördermittel für den Aufbau einer eigenen Webseite zu bekommen. Wir wollen unseren Mitgliedern die Möglichkeit bieten, sich regelmäßig auszutauschen, trotz Kontaktbeschränkung. Es liegen auch schon neue Projektideen in der Schublade. Zum Teil haben wir dazu bereits andere Institutionen und Vereine für eine Zusammenarbeit angefragt. Zudem wollen wir verstärkt Netzwerke aufbauen.

Sie sehen also, unsere Ideen sind vielfältig. Wir sehen unsere Arbeit – neben den von Anfang an gebotenen Nachbarschaftshilfen – im Ausbau der Gemeinschaft im Stadtteil. Durch die vielen Patenschaften und Gespräche haben wir gemerkt, dass wir mit breiter Brust und Good News einen positiven Wandel in Mombach erreichen können. Da dürfen wir nicht nachgeben und müssen weiter daran arbeiten.

„Hilfe ist nicht abhängig vom Virus, sie wurde auch schon vorher gesucht und gebraucht“

Was war der schönste Moment in Ihrer bisherigen Arbeit?

Gönner: Es gibt da so viele wunderbare Momente, die mich immer zu Tränen gerührt haben. Aber über Allem steht für mich der Zusammenhalt und das Netzwerk, die neu entstanden sind – und das ist ja erst der Anfang unserer Arbeit.

Wenn Sie dieses knappe Jahr Revue passieren lassen, würden Sie alles wieder genauso tun?

Gönner: Jederzeit würden wir alle das genauso wieder machen. Es ist schön zu sehen, wie alle an einem Strang ziehen. Täglich kämpfen wir an kleinen und großen Baustellen und falls wir unterstützen können, machen wir das. Auch wenn wir in der Pandemie gestartet sind: Hilfe ist nicht abhängig vom Virus, sie wurde auch schon vorher gesucht und gebraucht.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Gönner.

Weitere Informationen über die Webseite von Mombach hilft und der Facebook-Seite des Vereins sowie der Projektdarstellung auf der Seite der Landesinitiative.