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Dokumentation zur Werkstatt V „Nachbarschaften gehen online – Möglichkeiten digitaler Medien für die Organisation von Nachbarschaftsprojekten“

 

                     am 12. Juni 2017 im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwighafen

                     Veranstalter: Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros (BaS) e.V.

                     Moderation: Stefanie Adler, BaS e.V.

                     Fotos: BaS e.V.

 

 

 


Einleitung

Am 12. Juni 2017 fand die fünfte Werkstatt der Landesinitiative „Neue Nachbarschaften – engagiert zusammen in leben in Rheinland-Pfalz!“ in Ludwigshafen statt, koordiniert und durchgeführt von der Bundesarbeitsgemeinschaft Seniorenbüros e.V.. Unter dem Thema „Nachbarschaften gehen online – Möglichkeiten digitaler Medien für die Organisation von Nachbarschaftsprojekten“ kamen rund 30 Aktive aus unterschiedlichen Nachbarschaftsprojekten im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen zusammen. Es waren viele bekannte, aber auch einige neue Gesichter dabei: 17 Teilnehmende besuchten an diesem Tag zum ersten Mal eine Werkstatt der Landesinitiative. Das Tagesprogramm bot neben unterschiedlichen Fachvorträgen zum Einsatz neuer Medien Raum für den gegenseitigen Erfahrungsaustausch und die Möglichkeit, den Hack-MuseumsgARTen hinter dem Museum zu besichtigen. Unterschiedliche Akteure aus dem Stadtteil bewirtschaften hier gemeinschaftlich ein Urban-Gardening-Projekt.

 

Die Werkstatt „Nachbarschaften gehen online“ widmete sich dem Nutzen und den Chancen digitaler Werkzeuge und Medien. Auch bei der Organisation und Kommunikation im Rahmen von Nachbarschaftsprojekten rücken diese immer häufiger an die Stelle von Telefon und Karteikasten. Aus diesem Grund wurden mit der fünften Werkstatt neue Möglichkeiten vorgestellt und diskutiert, wie Kontakte gestiftet, Engagierte gewonnen, Informationen ausgetauscht und gemeinsame Aktionen organisiert werden können.


Begrüßung und Einführung

Stefanie Adler, Projektleiterin der Landesinitiative "Neue Nachbarschaften - engagiert zusammen leben in Rheinland-Pfalz!" begrüßte die Teilnehmenden und stellte die Website www.neue-nachbarschaften.rlp.de vor. Ab August finden Interessierte unter diesem Link alles Wissenswerte zur Landesinitiative und Informationen zu den inzwischen über 100 Nachbarschaftsprojekten und Bürgergemeinschaften in Rheinland-Pfalz.

Stefanie Adler, BaS e.V.

Chancen und Nutzen digitaler Medien für Kommunikation und Vernetzung in der Nachbarschaftshilfe - Erfahrungsaustausch

Die Teilnehmenden erörterten in Kleingruppen ihre Vorstellungen von digitaler Vernetzung und formulierten ihre Wünsche an digitale Anwendungen in der Nachbarschaft. Es wurde deutlich, dass ein Großteil der Teilnehmenden mit digitaler Vernetzung schnelle Informationsquellen, Vernetzung und Kommunikation verbindet. Digitale Medien werden als Orientierungshilfe mit einer Lotsenfunktion verstanden, durch die die Zusammenarbeit vereinfacht werden kann. Weitere Vorteile wurden in der Bündelung von Angeboten, in der Herbeiführung von Absprachen und in der Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit gesehen.

Trotz dieser grundsätzlich positiven Bewertung betonten die Beteiligten, dass häufig zunächst ein Zugang zu digitalen Medien geschaffen und gesichert werden muss. Besonders für ältere Menschen seien individuelle Möglichkeiten zu schaffen, einen sicheren Umgang mit digitalen Medien zu erlernen. Nur so könnten sie von den verkürzten Kommunikationswegen profitieren und an den Chancen der Digitalisierung partizipieren.

Es wurde deutlich, dass viele Teilnehmende bereits nterschiedliche digitale Medien wie Suchmaschinen, E-Mails, Messenger-Programme, Facebook, Youtube oder eigene Homepages nutzen. Für die Zukunft wünschten sie sich beispielsweise eine interaktive Plattform als digitales Schwarzes Brett, aber auch eine telefonische Hotline, die bei Bedarf Orientierungshilfe im „Internetdschungel“ bietet. Des Weiteren wurde Bedarf an unterschiedlichen Apps geäußert, so zum Beispiel einer „Ortungs-App“ für Menschen mit Demenz, einer „Fahrdienst-App“, über die konkrete Fahrangebote aus der Nachbarschaft vermittelt werden können oder einer „Erklärungs-App“, über die der Umgang mit Youtube und verschiedene Computer-Funktionen erlernt werden kann.


Digitale Werkzeuge für Nachbarschaftsinitiativen – eine Einführung

Hannah Ballmann, Referentin Projekt „Silver Surfer“, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Hannah Ballmann, Mitarbeiterin im Projekt „Silver Surfer – Sicher online im Alter“ in Rheinland-Pfalz, führt ältere Menschen im Rahmen von Seminarreihen an digitale Medien heran und unterstützt sie in einem selbstbewussten und sicheren Umgang mit dem Internet.

In ihrem Werkstatt-Impuls stellte sie einige weniger bekannte digitale Werkzeuge wie Doodle, Etherpad, Dropbox und Trello vor und illustrierte deren Anwendungsmöglichkeiten am Beispiel der Planung eines Straßenfestes. Damit wurde deutlich, wie Terminabsprachen, das gemeinsame Arbeiten an Texten oder die Abbildung von Arbeitsschritten einfach und für alle Beteiligten nachvollziehbar über das Internet gestaltet werden können.

So bietet Doodle (https://doodle.com/de/) die Möglichkeit, einen Termin mit mehreren Personen zu finden, indem den Beteiligten in einer per E-Mail versandten Übersicht unterschiedliche Tage und Uhrzeiten vorgeschlagen werden. Die Beteiligten markieren mit Hilfe von Häkchen die Zeiten, zu denen sie verfügbar sind. Die Festlegung des Termins erfolgt dann für den Tag und das Zeitfenster, zu dem die meisten der Befragten Zeit haben.

Etherpad (https://etherpad.gwdg.de/) ist hingegen ein digitales Werkzeug ("Tool"), mit dem bei einer gemeinschaftlich organisierten Aktivität die Übernahme verschiedener Aufgaben geklärt und der Stand der erfolgten Arbeitsschritte dokumentiert werden können. Bei der Planung eines Straßenfestes können mit diesem Medium die jeweiligen Verantwortlichkeiten oder Beiträge zum Buffet einfach organisiert werden.

Die Software Trello (www.trello.com) bietet als Werkzeug für das Projektmanagement umfangreichere Möglichkeiten. Für verschiedene Arbeitsbereiche (z.B. Getränke, Buffet, Technik, Auf- und Abbau) können virtuelle Karteikarten angelegt werden. Ein Balken bildet den Fortschritt bei der Erledigung der Aufgaben ab. Im Gegensatz zu Doodle und Etherpad, die für die Nutzung keine Registrierung erfordern, legen sich Initiatoren bzw. "Teamer" bei Trello einen kostenlosen Zugang ("Account") an.

Das Anlegen einer Dropbox (www.dropbox.com) empfiehlt sich beispielsweise für das Einstellen, Anschauen und Herunterladen von Fotos von einer gemeinschaftlichen Aktion. Auch ist die gemeinsame Erstellung zum Beispiel einer Einladung zu einem Straßenfest mit diesem Medium möglich. Dokumente im Word-Format können hier mit Hilfe einer Kommentarfunktion von verschiedenen Personen bearbeitet werden. Die eingestellten Inhalte sind - wie bei den zuvor beschriebenen Instrumenten - nur für einen definierten, begrenzten Teilnehmendenkreis zugänglich.

Um Aktiven in Nachbarschaftsprojekten die Berührungsängste im Umgang mit den beschriebenen Medien zu nehmen, kann ihre Anwendung von Engagierten, die im Umgang mit diesen Tools schon geübter sind, zum Beispiel im Rahmen eines Stammtischs vorgestellt werden. Zugänge für ältere Menschen zum Internet und speziellen Anwendungen ("Apps") erleichtern in Rheinland-Pfalz auch bereits über 80 ehrenamtlich durchgeführte Internetangebote und Kurse für Seniorinnen und Senioren (weitere Infroimationen: www.silversurfer-rlp.de).

Zur Präsentation


„Digitale Dörfer“ – Ein Projekt zur Vernetzung von Gemeinschaften im ländlichen Raum

Steffen Hess, Projektleiter „Digitale Dörfer“, Fraunhofer IESE Kaiserslautern

Projektleiter Stefan Hess berichtete in seinem Vortrag über „Digitale Dörfer“, ein Projekt zur Vernetzung von Gemeinschaften im ländlichen Raum. Das Projekt des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering (IESE) zeigt, wie die Digitalisierung für ländliche Regionen genutzt und als Chance verstanden werden kann. Ausgehend von der Frage, wie ländliche Regionen durch den Einsatz digitaler Medien besser gestaltet werden können, wurden die sogenannten „digitalen Dörfer“ im Jahr 2015 ins Leben gerufen.

Hintergrund des Projektes ist die Idee, dass sich Menschen aus einer Nachbarschaft bei der Beschaffung von alltäglichen Dingen gegenseitig unterstützen und Einkäufe für die Nachbarin und den Nachbarn erledigen. In der ersten Projektphase wurde dazu gemeinsam mit den Einwohner/innen der drei Verbandsgemeinden Betzdorf, Eisenberg und Göllheim in Rheinland-Pfalz ein regionaler Online-Marktplatz mit Apps zur Lieferung bestellter Waren durch Freiwillige erprobt.

In den Testphasen wurde deutlich, dass hauptsächlich regionale Lebensmittel des täglichen Bedarfes bestellt wurden. Demnach ermöglicht es das Projekt, dass sich Menschen, die beispielsweise ganztags arbeiten oder aber nicht mehr ausreichend mobil sind, wieder regional ernähren und damit das Bestehen von Hofläden in der Umgebung unterstützen können. Gerade diese Läden haben häufig sehr eingeschränkte Öffnungszeiten, so dass es nicht allen Bürgerinnen und Bürgern möglich ist, sich lokal zu versorgen. Im Gegenzug können Händler durch den Dienst ihre Absatzzahlen steigern und die eigenen Produkte bewerben.

Das Projekt befindet sich seit Januar 2017 in der zweiten Phase, in der die Anwendung in die Breite getragen und weitere Dienste zur Vernetzung der Gemeinschaft erprobt werden sollen. Bereits heute kann das System in anderen Regionen im Rahmen eines Mietmodells adaptiert werden.

zur Präsentation

Steffen Hess (Kaiserslautern) Stefanie Adler (BaS e.V.)

Rundgang durch das Wilhelm-Hack-Museum und den hack-museumsgARTen – Ein Garten für alle!

Nach der Mittagspause folgte eine Führung durch die aktuelle Ausstellung „Die andere Seite - Erzählungen des Unbewussten“ aus dem Frühwerk des österreichischen Grafikers Alfred Kubin (1877-1959). Die durch Arbeiten anderer bekannter Künstler ergänzte Ausstellung führte die Teilnehmenden in eine Welt zwischen Traum und Wirklichkeit. Sie regte damit zu einer kreativen Auseinandersetzung mit dem Werkstatt-Thema dieses Tages an.

Im Gemeinschaftsgarten des Wilhelm-Hack-Museums auf der Rückseite des Museumsgebäudes wächst eine bunte Mischung aus Gemüsepflanzen, Blumen und Kräutern in Kästen, Paletten und Kübeln. Gegründet wurde der Garten im Jahr 2012, nachdem verschiedene Künstler ihren Wohnwagen auf den einst leeren Platz vor dem Museum stellten und ein Atelier eröffneten. Um das Museum für die Bevölkerung, von der ein Großteil einen Migrationshintergrund hat, zu öffnen, wurde das Areal in Anlehnung an die Prinzessinnengärten in Berlin in ein „Urban Gardening Projekt“ überführt. "Durch Öffnung des Platzes ist Gemeinschaft entstanden", freut sich Initiatiorin Theresia Kiefer über die gute Annahme des Angebots. Vereine, Bürgerinnen und Bürger, Schulklassen und Familien bepflanzen die vom Museum gestellten Behältnisse, nutzen das Gelände als Lern- und Erholungsort und gestalten interkulturelle Feste, Konzerte, Lesungen und Workshops. Der Garten verfügt über einen städtischen Wasseranschluss und ist täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet.


nebenan.de – Die Plattform für nachbarschaftlichen Austausch

Fabian Schlatter, Nachbarschaftsaktivierung bei nebenan.de, Berlin

Anschließend führte Fabian Schlatter, Mitarbeiter der Plattform für nachbarschaftlichen Austausch „nebenan.de“, in das Onlineportal ein. Anlass für die Konzeption der digitalen Plattform war eine persönliche Erfahrung des Gründers in der Hauptstadt: auch nach einigen Jahren in Berlin kannte er nur wenige Menschen aus seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Er sammelte die E-Mail-Adressen seiner Nachbarinnen und Nachbarn und eröffnete einen Verteiler zum nachbarschaftlichen Austausch, was auf große Resonanz stieß.

Die Idee entwickelte sich zu einer digitalen Nachbarschaftsplattform weiter, die jede und jeder Einzelne nutzen kann, um mit seinen Nachbarinnen und Nachbarn in Kontakt zu kommen, sich über Nützliches und Wissenswertes auszutauschen oder Mitstreitende für gemeinsame Aktivitäten zu finden. Mit einer Authentifizierung über den Personalausweis wird sicher gestellt, dass nur wirkliche Nachbarinnen und Nachbarn Zugang zu den räumlich abgegrenzten Nachbarschaften erhalten.

Die Plattform wird mittlerweile deutschlandweit von weit über 100 Nachbarschaften vor allem in großstädtischen Gebieten als digitales Medium genutzt. Im ländlichen Raum ist sie bislang weniger verbreitet. Inwieweit die Plattform tatsächlich nachbarschaftliches Engagement fördert, kann nur schwer gemessen werden, da nicht bekannt ist, wieviel Aktivitäten bereits vor der Nutzung des Portals in der Nachbarschaft bestanden. Allerdings bilden sich nachweislich Gruppen über das Portal, so zum Beispiel zum Joggen oder Wandern, für gemeinsames Gärtnern oder für die Sicherstellung einer Kinderbetreuung in der Nachbarschaft.

Von den Teilnehmenden, die bereits Erfahrungen mit der Plattform nebenan.de gesammelt haben, wurde angeregt, bei der Bewerbung der Plattform in den Stadtteilen die Urheber deutlicher als dies bisher der Fall ist, einschließlich der Angabe eines Kontakts kenntnlich zu machen. Dies könne Vorbehalten im Vorfeld entgegenwirken. In diesem Zusammenhang wird auch ein erleichtertes Anmeldeverfahren ohne Registrierung über den Personalausweis empfohlen. Begrüßt wurde die Ankündigung von nebenan.de, die Plattform künftig auch für Institutionen zu öffnen, so dass sie auch von Nachbarschaftsvereinen und Bürgergemeinschaften genutzt werden kann.

Zur Präsentation


Ausblick und Wünsche an die Landesinitiative

In der Schlussrunde wünschten sich die Teilnehmenden, dass die Landesinitiative weiter dazu beiträgt, Nachbarschaftsprojekte in ganz Rheinland-Pfalz bekannt zu machen und voranzubringen. Sie regten an, bei den politisch Verantwortlichen auf kommunaler Ebene noch stärker auf die Landesinitiative aufmerksam zu machen und mit Best-Practice-Beispielen aus den Projekten auf die wichtige Rolle nachbarschaftlicher Initiativen im Hinblick auf ihre Bedeutung für ein selbstständiges Leben älterer Menschen hinzuweisen. Auf diese Weise könnten Mandatsträger auf Kreis- und Verbandsgemeindeebene leichter dafür gewonnen werden, ähnliche Initiativen bei sich vor Ort zu unterstützen.

Wichtig war den Teilnehmenden nicht zuletzt, dass die Praxiswerkstätten - auch im Zeitalter der Digitalisierung - nicht durch digitale Medien abgelöst werden.

Werner Krebs, Eich
Gabi Frank-Mantowski, MSAGD Mainz
vl..n.r. F. Schlatter (Berlin), H. Ballmann (Mainz), St. Adler (BaS Bonn), G. Frank-Mantowski (MSAGD Mainz)