Rund 1150 Menschen leben in der Gemeinde im Landkreis Mayen-Koblenz. Schon bald nach der Gründung des Bürgervereins ging dieser eine enge Kooperation mit einer neu am Ortsrand von Oberfell entstandenen Senioreneinrichtung ein. Es gab viele Ehrenamtliche, die sich im Verein „Hand in Hand mit den Profis“ engagierten. Die enge Bindung und andere Entwicklungen führten im Lauf der Zeit aber zu Problemen, die fast das Ende des Vereins bedeutet hätten. 2025 wurde nun die Kehrtwende eingeläutet: Eine kleine Arbeitsgruppe hat sich zur Aufgabe gemacht, den Verein wiederzubeleben. In dieser engagieren sich auch die Ortsbürgermeisterin Sabine Meurer (57) und Johannes Weber (55). Beide sind nicht nur Mitglieder im Bürgerverein, sondern sind auch in anderen Dorfvereinen und -initiativen aktiv, Weber zudem in der Pfarrgemeinde. In unserem Interview mit der hauptberuflichen Schulsekretärin und dem technischen Beamten erfahren Sie, wie die Arbeit des Bürgervereins ins Straucheln geriet, welche Herausforderungen in der Umbruchsphase bewältigt werden müssen und wie die Visionen für die Zukunft aussehen. Nicht zuletzt zeigt dieses Beispiel aus Oberfell, wie das Projekt „Bürgermeister:innen aktiv“ der Landesinitiative Wirkung entfalten will.
Sabine Meurer und Johannes Weber auf einer Veranstaltung „Sommernacht auf dem Bleidenberg” (2025) einer Kooperation der Ortsgemeinde und der Initiative „Kirche und Kultur in der Wallfahrtskirche auf dem Bleidenberg”.
Herr Weber wie sind Sie auf den Bürgerverein Oberfell gestoßen und wie haben sie dessen Entwicklung erlebt?
Weber: Meine Frau und ich sind 1999 aus dem Nachbarort Niederfell nach Oberfell in unser neues Eigenheim gezogen. Nachdem wir keine eigenen Kinder bekommen haben, stellte sich uns sehr früh die Frage: „In welchem sozialen Umfeld möchten wir in Oberfell gut „alt“ werden und was bedarf es hierzu?“
Durch mein Engagement in der Kirchengemeinde bin ich bereits 2015 in Berührung mit dem Bürgerverein gekommen, weil es mich einfach interessiert hat, was der so macht. Zu dieser Zeit konzentrierten sich die Vereinsaktivitäten des Bürgervereins bereits fast ausschließlich auf die „Villa Ausonius“ und den dortigen Ausoniustreff und hatten junge Familien – mit und ohne Kinder – oder Menschen in der Lebensmitte wenig im Blick. So wie die Situation heute aussieht, hat sich das negativ auf die Vereinsstruktur ausgewirkt.
In 2017 hatte ich schon einmal eine Anregung an den Verein gegeben, diese Altersgruppen stärker in das Vereinsleben einzubeziehen und sich als weiteren Ort auf das die meiste Zeit ungenutzte Alte Pfarrhaus in der Dorfmitte, welches sich in Erbpacht der Ortsgemeinde befindet, auszurichten. Dort unterhält die Kirchengemeinde noch eigene Räume, die gleichfalls wenig genutzt werden. Da das Thema damals irgendwie für alle noch nicht aktuell war – der Bürgerverein „lief“ ja – und für mich nicht unmittelbar relevant, ist dann erst einmal nichts weiter passiert.
Wie Bewegung in die Sache kam
Einen neuen Drive bekam das Thema als mich Ende Januar 2025 der Vereinsvorsitzende Gottfried Thelen auf der Suche nach neuen Kandidaten für die eigentlich im April anstehende Vorstandswahl angesprochen hat. In einem langen und offenen Gespräch habe ich dabei meine persönlichen Vorstellungen von der zukünftigen Ausrichtung des Vereins und seiner Aktivitäten dargestellt. Nämlich, dass sich dieser nicht mehr alleine auf die Seniorenwohneinrichtung in der Villa Ausonius und seine Bewohner ausrichten darf, sondern einen gleichwertigen Gegenpol in der Dorfmitte und für alle Altersstufen und Lebensverhältnisse einbeziehen muss, wie dies seinerzeit bei der Vereinsgründung beabsichtigt und wie es aus dem Programm der Dorferneuerung für die Konzeption des Alten Pfarrhauses ursprünglich gedacht war.
Hier sah ich den geeigneten Raum und Ort, von dem aus sich in zentraler Lage neue Vereinsaktivitäten für alle Oberfeller entwickeln werden können. Auch finde ich es sehr wichtig, dass der ursprüngliche Vereinszweck „Mitglieder für Mitglieder“ dahingehend weiterentwickelt werden muss, dass alle Oberfeller – ob Mitglied oder nicht – an allen Aktivitäten und Angeboten teilhaben können.
Richtig Bewegung kam dann ab April in die Sache als die Kandidatensuche für den Vorstand und die Diskussion um die Neuausrichtung des Bürgervereins und seines Fortbestehens sich mit der Landesinitiative „Neue Nachbarschaften“ und „Bürgermeister:Innen Aktiv“ in persona mit Sabine, unserer Oberfeller Bürgermeisterin kreuzte.
„Auflösen oder Wiederbeleben? – Wir haben uns für Letzteres entschieden!“
Da kommen nun also Sie ins Spiel Frau Meurer…
Meurer: Ja, denn es ist so, dass man als Ortsbürgermeisterin von Oberfell per Vereinssatzung auch automatisch Mitglied im erweiterten Vorstand im Bürgerverein wird. Als Johannes mich mit seiner Idee angesprochen hat, durch bzw. mit dem Bürgerverein auch das Alte Pfarrhaus wieder mehr zu nutzen, mussten wir erst einmal feststellen, dass der alte Vereinsvorstand, der mehr oder weniger auch der Gründungsvorstand war, auch aus Altersgründen nicht mehr weitermachen wollte, mit Ausnahme einer Person.
Aber nicht nur der achtköpfige Vorstand, sondern auch viele bisher aktive Vereinsmitglieder sind aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund ihres fortgeschrittenen Lebensalters nicht mehr in der Lage, ihr aktives Engagement in der bisherigen Weise fortzusetzen.
Und es war in der Tat so, dass die „Spätfolgen“ von Corona sozusagen das Aus für die meisten Aktivitäten des Bürgervereins bedeutet haben. Dieser existierte nach der Pandemie zwar noch mehr oder weniger auf dem Papier, war aber nur noch wenig im Sinne der ursprünglichen Zielsetzung aktiv. Und da nun spätestens im Oktober/November dieses Jahres wieder Vorstandwahlen anstehen, mussten wir uns überlegen, ob man den Verein nun abwickelt, sprich auflöst, oder nach Möglichkeiten sucht, um ihn wiederzubeleben. Wir haben uns für Letzteres entschieden.
„Ortsbürgermeisterin aktiv“ für den Verein und die Dorfentwicklung
Wie sind Sie dann weiter vorgegangen?
Weber: Nach meinem ersten Gespräch mit Gottfried Thelen im Januar hat Sabine uns im März mit dem geschäftsführenden Vorstand des Bürgervereins und dem Sozialausschuss des Oberfeller Gemeinderates in einem offenen Gedankenaustausch zusammengebracht, in der ich meine Ideen für die Neuausrichtung des Vereins und seiner Aktivitäten im Groben vorstellen konnte. Hier konnten wir uns zunächst darauf verständigen, dass die turnusmäßige Neuwahl des Vorstandes noch um ein halbes Jahr nach hinten in den Oktober verschoben wird, bis ein neues Konzept und ggf. auch ein neuer Satzungsentwurf entwickelt werden kann.
Diese Möglichkeit wurden von den Anwesenden zwar grundsätzlich positiv bewertet, allerdings fanden sich an diesem Abend aus der Runde nicht genug Engagierte, dies sich konkret damit befassen wollten oder konnten.
Meurer: Da ich das Fortbestehen des Bürgervereins für das Zusammenleben im Ort und der Integration der Bewohner der Villa Ausonius und die weitere Dorfentwicklung für wichtig erachte, habe ich dann gezielt weitere Personen im Dorf angesprochen, von denen ich mir vorstellen konnte, dass diese das Thema und die Problematik offen und konstruktiv anpacken können.
Aus dieser Ansprache hat sich dann tatsächlich eine Arbeitsgruppe gegründet, der neben Ratsmitgliedern aus den Fraktionen, einem Mitglied des aktuellen Vorstandes und Johannes auch weitere Oberfeller Bürger angehören. Dies bildet einen ganz guten repräsentativen Querschnitt durch Oberfell ab. Meinen persönlichen Anteil sehe ich darin, dies gut zu moderieren und die notwendige Unterstützung zu geben, wo ich kann.
… und die Arbeitsgruppe hat auch gut zusammen funktioniert?
Meurer: Ja, bereits bei unserem ersten Treffen im April haben wir uns innerhalb der Arbeitsgruppe über unsere persönlichen Sichtweisen und Ideen für die Weiterentwicklung des Bürgervereins ausgetauscht und eine erste gemeinsame „Standortbestimmung“ durchgeführt. Von Beginn an hat sich manifestiert, dass das ungenutzte Potenzial der Räume im Alten Pfarrhauses zentrales Diskussionsthema für die Entwicklung neuer Möglichkeiten sein wird.
Als glückliches zeitliches Zusammentreffen kann ich es bezeichnen, das just in dem Moment mich die Information und Einladung zu „Bügermeister:innen aktiv“ – Für ein gutes Miteinander: Menschen für ein Engagement vor Ort gewinnen – beim Sozialministerium in Mainz erreicht hat. Zusammen mit einem Vorstandsmitglied des Bürgervereins, das auch für die Neugestaltung des Vereins weiterhin als Mitglied im Vorstand zur Verfügung steht, bin ich dann am 27. Juni nach Mainz gefahren. Dort sind wir auf viele „Gleichgesinnte“ getroffen, die vor einer ähnlichen Problematik stehen. In Vorträgen und einer Podiumsdiskussion wurden uns Unterstützungsmöglichkeiten mit an die Hand gegeben. Aber auch Projekte, die in anderen Gemeinden schon erfolgreich laufen, wurden uns vorgestellt. Wir haben viel mitgenommen und sind motiviert und voller Tatendrang wieder nach Hause gefahren. Natürlich haben wir unser Interesse für weitere Veranstaltungen und auch weitere Begleitung durch die Landesinitiative bekundet.
„Bürgerverein 2.0: Begegnung-Beteiligung-Begeisterung“
Als Arbeitsgruppe wollten wir aber nicht unter uns bleiben, sondern von Anfang an offen und transparent die Meinung und Ideen möglichst vieler Oberfeller miteinbeziehen. Deshalb haben wir uns entschieden, im August eine öffentliche Infoveranstaltung für alle Interessierten durchzuführen, zu der wir mit einem Flyer einladen wollten.
Dieser sollte sich mit dem Arbeitstitel „Bürgerverein 2.0“ und der Überschrift: „Begegnung-Beteiligung-Begeisterung“ an alle Oberfeller richten. Ziel der Veranstaltung sollte sein, Interesse und Lust für ein neues Konzept für den Bürgerverein mit vielfältigen und offenen Angeboten für alle Oberfeller an einem neuen Begegnungsort zu wecken.
Den Flyer haben wir dann an alle Haushalte verteilt. Auch gab es für unsere ausländischen Mitbürger und bei uns im Dorf lebenden Flüchtlinge über einen QR-Code eine Fassung auf Ukrainisch, Arabisch und Englisch auf einen Link zur Internetseite der Ortsgemeinde. Zudem haben wir unseren „Oberfeller Abend“ – unseren Dorfgemeinschaftsabend vor Beginn der Sommerferien, dazu genutzt, nochmals öffentlich zur Infoveranstaltung einzuladen und die Mitglieder der Arbeitsgruppe persönlich vorzustellen.
Ein „konstruktiver Mix“ aus Oberfellern zeigt Interesse mit vielen Ideen und Anregungen
Das ist ja alles noch nicht so lange her, wie verlief denn diese Veranstaltung?
Meurer: Sehr gut, wie mir berichtet wurde, denn ich konnte leider nicht daran teilnehmen, weil ich im Krankenhaus mit einer Blinddarm-OP lag.
Weber: Wirklich schade, dass Sabine an diesem Abend nicht dabei sein konnte. Da Sabine aber zusammen mit Berti Kalfels aus dem aktuellen Vorstand des Bürgervereins bei der Podiumsdiskussion in Mainz war, konnte er die Aspekte und Inhalte aber gleichfalls gut wiedergeben. Teamwork halt.
Die Infoveranstaltung lief wirklich gut: es kamen 50 Personen – ein konstruktiver Mix aus Mitgliedern des Bürgervereins, „Ur“-Oberfellern, Neubürgern und einer Flüchtlingsfamilie aus Syrien, für die wir auch einen Übersetzer organisiert hatten, und natürlich unsere Arbeitsgruppe.
Im Sinne von Offenheit und Transparenz haben wir dann zum Einstieg die aktuelle Problematik zum Fortbestand und der erforderlichen Veränderungen und über die Chancen für den Bürgerverein informiert und die Verbindung zur Landesinitiative dargestellt.
Im zweiten Teil waren die Gäste mit Impulsfragen am Zug: Was vermisst ihr im Ort, besonders im Alltag und im Miteinander? Was wünscht ihr euch, was würde unser Zusammenleben verbessern? Wer hat Lust sich einzubringen mit Ideen, Zeit oder anderer Unterstützung?
Welche Rückmeldungen haben Sie erhalten?
Weber: An positiven Rückmeldungen konnten wir einiges sammeln, was aber teils schon beim Start des Bürgervereins Thema war.
Viele wünschen sich, dass das Alte Pfarrhaus Dorfmittelpunkt und -begegnungsstätte in Kooperation mit den aktuellen Pächtern werden soll. Auch der dazugehörige schön angelegte Pfarrgarten und weiteren Räume sollen besser genutzt bzw. einbezogen werden, viele wünschen sich dort auch einen Ausschank, ähnlich einer Gaststätte.
Es kam der Vorschlag offene Stammtische generationenübergreifend an festen Terminen nach dem Motto „wer kommt, der kommt“ anzubieten. Außerdem wurden ein Repair- und Literatur Café, kleine Konzerte oder Turniere für Dart oder Boule angeregt. Eine weitere Idee ist etwa handwerkliche Fertigkeiten zu vermitteln, z.B. den Bau von Bruchsteinmauern, Stricken oder Imkern.
Auch Nachbarschaftshilfen, eine Tauschbörse, Übersetzungen von und für Menschen mit Migrationshintergrund oder gemeinsames Kochen und Spazierengehen, etwa auch mit Rollatoren oder Rollstühlen, und einiges mehr wurde vorgeschlagen.
Bei alledem verstehen wir uns aber nicht als zukünftige „Programm-Macher“, sondern wir wollen Eigeninitiativen koordinieren und fördern.
Natürlich gab es auch kritische Rückmeldungen: So wurde gewünscht, dass es zu einer stärkeren Kooperation mit anderen Ortsvereinen kommt – wie etwa ein Liedernachmittag mit dem Musikverein Mosella. Um Infos breiter und zeitnah weiterzugeben, vermisst man eine Kommunikationsplattform z.B. eine Vereinsapp oder öffentliche Info-Tafel.
Auch ein neuer Vereinsname wurde gewünscht. Der Bürgerverein sei zudem bisher zu sehr auf die Villa Ausonius fokussiert gewesen, war ein weiterer Kritikpunkt.
Eine wechselhafte Beziehung zwischen Villa, Bürgerverein und Dorf
Sie beide haben die Villa Ausonius nun ja schon mehrfach erwähnt, was genau hat es mit dieser Einrichtung auf sich?
Meurer: Die Villa Ausonius ist eine seit 2014 bestehende private Seniorenwohneinrichtung der „Projekt 3 gGmbH“ zu der zwei Häuser gehören, die am Ortsrand liegen. Im Haupthaus befinden sich seniorengerechte Einzelzimmer auf zwei Etagen, wobei eine Etage verstärkt auf demenzerkrankte Bewohner ausgerichtet ist. Im zweiten Haus sind kleine Appartements in verschiedenen Größen für Bewohner, dies sich noch selbst versorgen können und ausreichend mobil sind. Zudem gehört dem Träger ein Pflegedienst, der bei Bedarf in Anspruch genommen werden kann.
Ich kenne die Villa selbst sehr gut, da meine Schwiegermutter nach einem Oberschenkelhalsbruch eingezogen ist und dort noch sechs gute Jahre mit anderen Frauen aus Oberfell gelebt hat. Und der Bürgerverein, der die Verbindung zwischen Dorf und Senioreneinrichtung herstellen sollte, war u.a. genau aus dem Grund gegründet worden: Um zusammen mit und für die Bewohner gemeinsame Aktionen durchzuführen und die soziale Teilhabe im Ort zu fördern, soweit die Bewohner dies möchten und noch können.
Dafür hatte der Bürgerverein in der Villa Ausonius auch einen superschönen großen Raum – der „Ausoniustreff“ – mit Küche, Toilette und Platz für rund 60 Personen über finanzielle Fördermittel des Bundes eingerichtet bekommen. So wurde dann dort zusammen Gebacken oder Spielenachmittage ausgerichtet etc. Das war am Anfang auch alles wunderbar, nur irgendwann funktionierte das Konstrukt nicht mehr. Angebote der Mitglieder des Bürgervereins, Bewohner zum Einkaufen, Arztterminen oder ähnlichem zu begleiten, wurden immer weniger. In den ersten Jahren gab es auch eine Angestellte, die vom Investor bezahlt wurde und in erster Linie die Aufgabe hatte, diese Verbindung zwischen Dorf und Villa zu pflegen. Aus Kostengründen wurde diese Stelle aber nach ein paar Jahren gestrichen. Das war auch ein entscheidender Punkt, warum die Koordination zwischen Dorf und Bewohnern nicht mehr so gut funktioniert hat. Aber auch die Bewohnerstruktur und deren praktische Bedürfnisse haben sich in den zurückliegenden Jahren einfach geändert.
Welches Problem ergab sich daraus?
Meurer: Nun, da kam eines zum anderen. Mitglieder, die bei der Gründung des Bürgervereins auch älter geworden sind, konnten verschiedene Aktionen nicht mehr durchzuführen. Dazu gehörte auch der Fahrdienst. Auch die Einrichtung hatte nicht genügend Personal, um z. B. einen Fahrdienst zu organisieren, wenn die Senioren für eine Veranstaltung ins Dorf gefahren werden sollten. Auch die Angehörigen sind da keine Option, auf die man sich verlassen kann.
Irgendwie hat sich im Laufe der Zeit das gute Miteinander von der Villa Ausonius, dem Dorf und dem Bürgerverein auseinanderentwickelt. Somit brach auch ein Kernelement der Tätigkeit des Bürgervereins weg. Wir möchten dieses stiefmütterliche Verhältnis aber wiederbeleben und die Villa soll wieder mehr und aktiver ins Dorfleben integriert werden. Und natürlich möchten wir auch diesen tollen Raum, der in der Villa Ausonius vom Bürgerverein genutzt und mitfinanziert wurde und nun mehr oder weniger ungenutzt ist, wieder mit Leben füllen, sodass wieder alle daran Anteil haben können.
Fokus auf das Alte Pfarrhaus – Ein neuer Dorfmittelpunkt?
Sie haben vorhin ja bereits das Alte Pfarrhaus mit dem Pfarrsaal, aber auch ein dort ansässiges Ladengeschäft erwähnt, spielt dieses auch eine Rolle in Ihren Überlegungen?
Weber: Ja, die Kombination des „Ausoniustreff“ in der Villa zusammen mit den Räumen im Alten Pfarrhaus sowie dem Pfarrgarten ist das Fundament für unsere Überlegungen zum Neustart des Vereins. Gerade der Pfarrgarten mitten im Dorf bietet hier viele zusätzlich Möglichkeiten. So wurde bisher auf dem Gelände der Wallfahrtskirche oben über dem Dorf auf dem Bleidenberg die „Bergweihnacht“, eine Art Weihnachtsmarkt gefeiert. 2024 war das Wetter aber so übel, dass die Durchführung außerhalb vom Ort unmöglich erschien und wir dachten, der Pfarrgarten im Dorf ist doch eine gute Alternative, die dann auch sehr gut funktioniert hat.
An den vielen Familien mit Kindern und älteren Dorfbewohnern haben wir festgestellt, dass unser Veranstaltungskonzept besser mitten im Dorf funktioniert hat als oben auf dem Berg. Der Pfarrgarten könnte natürlich auch mehr im Sommer genutzt werden als Treffpunkt für einen Spätschoppen oder Ähnliches, nur müsste dann eigentlich auch das Ladengeschäft bzw. dessen Pächterin mitspielen, denn sie bekam zugesagt, den Pfarrgarten mitnutzen zu dürfen. Da müssen wir aber in der nächsten Zeit wohl noch einiges untereinander klären.
Auch die Kirchengemeinde hat noch eigene Räume im ersten Obergeschoss des Alten Pfarrhauses, ausgestattet mit einer Einbauküche und einer weiteren Toilette, die im Rahmen einer Kooperation eingebracht werden und die Nutzungsmöglichkeiten erweitern können.
Meurer: Als damals die heutige Pächterin des Ladens auf mich zukam, war ich zunächst einmal froh, dass sich überhaupt jemand für das leerstehende und kaum genutzte Gebäude interessierte. Wir hatten das Pfarrhaus ja schon mehrere Jahre an wechselnde Gastronomien verpachtet, die aber alle nicht überlebt haben. Oberfell liegt zwar an der Mosel, aber die großen touristischen Ströme gehen an unserer Dorfmitte vorbei, die meisten fahren nur über die an der Mosel gelegenen Bundesstraße durch. Ich fand die Idee einer Bürgerin mit dem Ladengeschäft und dem Verkauf regionaler Produkte sowie dem Angebot von Kaffee und Kuchen gut.
Am Anfang versuchte die Pächterin, mit Eisverkauf und Kuchen die Besucher zu locken. Doch leider musste sie feststellen, dass so manches im Mülleimer landete, weil die Besucher fehlten. Danach änderte sie leider auch die Öffnungszeiten, die für die Gäste etwas zu unregelmäßig waren, sodass auch die Oberfeller kaum noch dorthin gingen.
Im Prinzip wollen wir den Raum des Ladengeschäftes und das Alte Pfarrhaus als einen festen Treffpunkt für das Dorf und seine Bewohner etablieren. In unserem „Planungsteam“ gab es auch schon Überlegungen in Richtung „Gründung einer Genossenschaft“. Das wäre dann eben eine Option, wenn die Zusammenarbeit mit der jetzigen Pächterin gar nicht funktionieren würde.
Herausforderung Punktesystem und Vorstandswahl
Sehen Sie noch andere Schwierigkeiten auf sich zukommen?
Weber: Eine Altlast, die wir noch so mit uns rumschleppen, ist das bisherige Punktesystem, mit dem der Bürgerverein in einer Ergänzungsvereinbarung zur Vereinssatzung gearbeitet hat. Also jeder hat für freiwillig ausgeführte Hilfstätigkeiten Punkte sammeln können, die er dann später einmal als Gegenleistung einlösen kann, um selbst geholfen zu bekommen. Eine Stunde Hilfstätigkeit entspricht dabei zwei Punkten.
In den Gründungsjahren waren die ersten aktiven Mitglieder überwiegend so im Alter 60+ und haben teils jede Menge Punkte angesammelt. Heute sind sie 70+ und es gibt keinen adäquaten „jüngeren“ Vereinsnachwuchs, bei dem die Punkte eingelöst werden könnten. In der Vereinbarung steht sogar, dass die Punkte im Todesfall an Familienmitglieder vererbt oder auch verschenkt werden können. Das ist aber ein System, das wir nicht ohne weiteres bei der Wiederbelebung des Vereins übernehmen können, das würde so nicht funktionieren. Das gibt die Mitgliederstruktur so nicht mehr her.
Meurer: Eine weitere Herausforderung wird natürlich auch die Kandidatensuche für die Wahl eines neuen Vereinsvorstandes sein. Wenn der alte Vorstand für Ende Oktober zur Vorstandswahl einlädt, dann hoffen wir, dass natürlich jemand, der bei der Infoveranstaltung dabei war, auch Lust hat, sich zu engagieren und auch im Vorstand mitzumachen. Denn wir haben nicht den Anspruch mit unserer derzeitigen Arbeitsgruppe komplett den neuen Vorstand zu stellen, sondern wir wollen auf „breiteren Füßen“ stehen. Allerdings, wenn sich niemand findet, dann müssen wir das wohl eben für die kommenden ein oder zwei Jahre doch machen.
Weber: Dem stimme ich zu, denn wir haben mit der Infoveranstaltung im August ja auch Begeisterung für einen Neuaufbruch für den alten Bürgerverein im Ort geweckt, der offener werden und Ansprechpartner für alle Oberfellerinnen und Oberfeller und unserer anderen Vereine werden soll. Nun müssen wir sehen, dass es auch weitergeht und unsere Begeisterung nach außen tragen und Leute mit guten Ideen und Angeboten überzeugen, bei uns mitzumachen und sich selbst miteinzubringen.
Meurer: Die Krönung wäre es ja, wenn es uns gelingen würde, dass der Verein als eine Art Plattform wahrgenommen wird, über den sich das gesamte Dorf besser untereinander vernetzt.
„Machen ist wie reden, nur krasser – also packen wir es an!“
Haben Sie schon Ideen entwickelt wie es in nächster Zeit weitergehen soll?
Weber: Wir haben uns vorgenommen, noch in diesem Jahr die ersten neuen Aktivitäten zu starten. Bereits im Oktober sind die ersten Spieleabende in den Räumen des Ladengeschäfts in Kooperation mit der Pächterin geplant. Bei Bedarf nehmen wir die Räume der Pfarrgemeinde dazu, falls der Platz nicht ausreicht.
Herbstzeit ist außerdem Döppekuchen-Zeit: Wir wollen das für die Region traditionelle Gericht in einer Art „Mini-Kochkurs“ vorbereiten und dann mit allen Gästen gemeinsam essen. Auch gibt es seit drei Jahren die private Initiative des „Adventsfensters“. Hier wollen wir im Alten Pfarrhaus ein solches Fenster gestalten und zum Glühwein für einen wohltätigen Zweck anbieten.
Nach der Wahl des neuen Vorstandes geht es dann an die Arbeit für die neue Satzung, für deren Beschluss wir eine neue Mitgliederversammlung ansetzen müssen. Und dann müssen wir uns an die Planung für eine Art „Jahresprogramm 2026“ machen: welche Angebote soll es geben, von wem werden diese organisiert oder vorbereitet?
Des Weiteren gibt es in den Räumen im Alten Pfarrhaus noch so eine Art „Dorfmuseum“, dass wir so umgestalten wollen, damit es für Veranstaltungen und Treffen genutzt werden kann. Schlussendlich müssen wir noch die Frage der gastronomischen Nutzung des Alten Pfarrhauses und des Pfarrgartens für einen Dämmerschoppen oder Sundowner klären und die Voraussetzungen dafür schaffen.
Meurer: Mir hat die Idee von der Initiative eine „Stunde Zeit“ aus Winnweiler gut gefallen, die auf der Veranstaltung der Landesinitiative Ende Juni im Ministerium in Mainz vorgestellt wurde. Bürger sollen anderen Menschen, nur dann, wenn sie denn Zeit und Lust haben, einfach eine Stunde Zeit schenken. Ganz unbürokratisch und ganz ohne das Punktsystem, wie wir es bisher hatten. Ich könnte mir gut vorstellen, dies als Kompensation für das Punktesystem in eine neue Vereinssatzung einzubringen.
Wir werden da aber sicher noch einige andere Ideen entwickeln. Ganz nach dem Motto, wie es der letzte Satz des Ergebnisprotokolls unserer Infoveranstaltung ausdrückt: „Machen ist wie reden, nur krasser – also packen wir es an!
Eine neue Dynamik im Dorfleben entfachen
Welche Hoffnungen verknüpfen Sie mit dem Vereinsneustart und was motiviert Sie?
Meurer: Ich hoffe, dass sich nach einem „Neustart“ und den ersten Veranstaltungen eine Dynamik entwickelt Bürger zu gewinnen, die sich eigenständig für Projekte einsetzen und den Willen haben, etwas für’s Dorf zu bewegen – alles unter dem Dach und mit der Unterstützung des neuen Bürgervereins – für den wir dann bald hoffentlich auch noch einen innovativeren neuen Namen finden werden, der dies besser zum Ausdruck bringt!
Weber: Ich finde es absolut spannend, agil und gemeinsam an einer solchen Idee für das Dorf und das Zusammenleben zu arbeiten und konkret werden zu lassen. Das was unmittelbar geht, machen wir. Das was Zeit braucht, dem geben wir die Zeit, die für eine gutes Ergebnis notwendig ist, ohne dass das Ganze totdiskutiert wird.
Im Weiteren setze ich genauso wie Sabine darauf, dass unsere neue Initiative zur Wiederbelebung des Bürgervereins eine neue Art von Eigendynamik in Gang setzt, indem wir einen „Ermöglichungsraum“ öffnen, der mehr Plattform als nur Anbieter sein möchte.
Vielleicht erleben wir den Start in die „Bürgerkommune“, so wie es Gerhard Henkel in seinem Buch „Rettet das Dorf! – Was jetzt zu tun ist“ skizziert hat und stellen uns damit an der demokratischen Basis gegen autokratische oder absolutistische Tendenzen, die wir in Staat, Gesellschaft und Welt in ihrer negativen Entwicklung wahrnehmen.
Vielen Dank für das Gespräch Frau Meurer und Herr Weber.
Weitere Informationen auf der Webseite der Gemeinde Oberfell und im Projektefinder der Landesinitiative (mit zum Teil noch veralteten Darstellungen des “alten” Bürgervereins)
Außerdem die Einladung zur Infoveranstaltung „Bürgerverein Oberfell 2.0“ sowie Informationen zu „Eine Stunde Zeit“ aus Winnweiler












